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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
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nicht mehr auf die Straße trauen würde.
    Deswegen sind wir nach Florida gezogen. Nicht weil der Job meines Vaters es verlangt hat. Meinetwegen.
    Ich ging weiter zur Schule, bis mein Zustand nicht mehr zu übersehen war, und wurde dann aufgefordert, dem Unterricht fernzubleiben. Roger Stillman passierte gar nichts. Meine Schande war sein Ehrenabzeichen, und er durfte bis zu seinem Abschluss auf der Schule bleiben.
    Ich ertrug fast zwanzig Stunden dauernde Wehen, bis meine Mutter meinem Vater erlaubte, mich ins Krankenhaus zu fahren, wo ich nach weiteren zehn Stunden ein Baby mit dem beeindruckenden Geburtsgewicht von 3850 Gramm zur Welt brachte. Ich hatte nie Gelegenheit, es in den Armen zu halten, ich durfte es nicht einmal sehen. Dafür sorgte meine Mutter.
    Sie hatte natürlich Recht. Was hätte sie sonst tun können? Ich war schließlich erst vierzehn Jahre alt, selbst noch ein Kind. Was wusste ich vom Leben und davon, wie es ist, sich
um einen anderen Menschen zu kümmern? Es war eine alberne Idee, die ich garantiert mein Leben lang bereut hätte.
    Aber vielleicht auch nicht. Wäre ich eine so schlechte Mutter gewesen, habe ich mich oft gefragt. Insgeheim hatte ich das kleine Baby, das in mir heranwuchs, geliebt, seit es sich zum ersten Mal bewegt hatte. Ich sprach mit ihm, wenn keiner zu Hause war, sang ihm etwas vor, wenn ich allein in meinem Zimmer war, versicherte ihm, dass ich nie die Geduld mit ihm verlieren würde, es nie schlagen oder entmutigen würde, dass ich es mit Küssen überhäufen und ihm jeden Tag versichern würde, wie sehr es geliebt wurde. »Ich passe auf dich auf«, versprach ich ihm, wenn keiner zuhörte. Doch stattdessen wurde es aus meinem Körper gerissen und von meiner Seite verbannt, bevor ich mir sein süßes kleines Gesicht überhaupt einprägen konnte. Und dann hatte ich mich stattdessen mein ganzes Leben lang um andere Menschen gekümmert.
    Natürlich war Alison nicht mein Kind.
    Irgendwer in Baltimore, vielleicht sogar ihr älterer Bruder, wie sie behauptet hatte, hatte ihr von dem »vierzehnjährigen Flittchen« erzählt, »das die Beine nicht zusammenhalten konnte«. Dann hatte sie sich mit ihren Freunden diesen komplizierten Plan ausgedacht, um sich in mein Leben zu drängen. Ich wollte, dass du mich magst. Nein. Ich wollte, dass du mich liebst , hatte sie selbst kurz vor ihrem Tod zugegeben.
    Natürlich vermisse ich sie schrecklich und denke oft und immer mit großer Zuneigung, ja, sogar Liebe an sie. Vielleicht hat Alison also doch bekommen, weswegen sie hergekommen war.
    Sie hat nicht gelitten. Sie ist einfach in meinen Armen eingeschlafen. Der Rest war leicht. Sie war einfach zu voll gepumpt mit Medikamenten. Ich bezweifle, dass sie das Kissen, das ich gut zwei Minuten lang auf ihr Gesicht drückte, überhaupt
noch bemerkt hat. Später zog ich ihr das hübsche blaue Sommerkleid an, das sie an dem Tag getragen hatte, als wir uns zum ersten Mal getroffen hatten, und begrub sie im Garten neben Erica. In dieser Ecke des Gartens gedeihen die Blumen besonders üppig, und ich glaube, das hätte ihr gefallen.
    K.C. war eine ganz andere Geschichte. Ich hatte nie zuvor einen Mann umgebracht, nie ein Messer benutzt und nie zu solcher Brutalität greifen müssen. Es dauerte Tage, bis der Widerhall der Tat in meinem Kopf verklang, Wochen, bis ich endlich in der Lage war, das ganze Blut in meinem Wohnzimmer wegzuschrubben. Der Teppich musste natürlich raus. Er war ruiniert. Alison hatte Recht – ein weißer Teppich im Wohnzimmer hatte sich doch als unpraktisch erwiesen. Es war jedenfalls Zeit für Veränderung.
    Ich wollte K.C. nicht in meinem Garten haben, also wartete ich bis Mitternacht, bevor ich ihn in den Kofferraum meines Wagens packte und bis zu den Everglades fuhr, wo ich seine Leiche in einen mit Schleim bedeckten Sumpf warf. Das erschien mir passend, und ich bin sicher, die Alligatoren waren mir dankbar.
    Drei Monate sind seit Alisons Tod verstrichen. Die Urlaubssaison ist fast zu Ende. Jeden Tag sieht man weniger Autos und Touristen auf den Straßen und bekommt jetzt auch wieder leichter einen Platz in den Restaurants. Die Schlangen vor den Kinos werden kürzer. Bettye McCoy führt nach wie vor mehrmals am Tag ihre beiden verrückten Hunde aus, und manchmal reißt sich einer von ihnen los und rennt in meinen Garten. Ich habe bereits einen kleinen Zaun errichtet, um sie abzuhalten, was hoffentlich reicht. Wenn einer dieser räudigen Köter noch mal in meinen Garten
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