Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Autoren: Janine Berg-Peer
Vom Netzwerk:
für Erkrankte sein muss, von Menschen umgeben zu sein, die nicht nachempfinden können, was sie selbst fühlen. Es muss einsam machen.
    Dass Lena krank ist, lässt sich einfach nicht leugnen. Soll ich jetzt allen Ärzten misstrauen? Muss ich Lena verbieten, die verordneten Medikamente zu nehmen, aus Angst, dass sie schädlich für sie sind? Ich wollte etwas über psychische Krankheiten wissen, weil ich gehofft hatte, dass mir das – ein wenig – die Angst nimmt, aber meine neuen Erkenntnisse werfen neue Fragen auf, statt mich zu beruhigen.

Lena – unser Glückskind
    Karim und ich waren lange Jahre sehr glücklich miteinander. In meiner zweiten Ehe fand ich die Geborgenheit und die gegenseitige Unterstützung, die ich mir immer gewünscht hatte. Wir hatten viele Freunde, studierten und arbeiteten gemeinsam und schauten zuversichtlich in die Zukunft. Lena war ein Wunschkind, auf das wir uns vom ersten Tag an gefreut haben. Die Schwangerschaft verlief problemlos, mir ging es gut. Ihre Geburt fand zu Hause statt und war ein Fest mit Freunden. Karim lief beruhigend durch die Wohnung und kochte für alle indischen Tee. Als Lena auf der Welt war, wurde sie mit Sekt und Pizza gefeiert, und wir waren glücklich. Sie war als Baby nicht schwierig, sondern freundlich, lachte viel und trank gut. Lena war unser Sonnenschein. Später blieben Menschen entzückt auf der Straße stehen und streichelten über ihr hüftlanges dunkles Haar. Im Kindergarten wurde sie von allen geliebt, und sie schloss schnell Freundschaften, die bis zum heutigen Tag anhalten. Sie war diejenige, die jedes weinende Kind tröstete, sie schlichtete Streit und bezog Kinder, die am Rande standen, in die Spiele mit ein. Wir hatten viele Freunde, bei deren Kindern Lena übernachtete, und ihre Freundinnen übernachteten bei uns. Die große Schwester liebte ihre kleine Schwester, trug sie in einem Pappkarton durch die Wohnung und setzte sie darin unter ihren Schreibtisch, wenn sie Schulaufgaben machte.
    War Lena als kleines Kind nicht glücklich? Heute frage ich mich, ob unser Glück nur eine Täuschung war, ob ich mir etwas vorgemacht habe und irgendwelche Anzeichen nicht sehen wollte. Ich grübele darüber nach, welche Krankheiten Lena als kleines Kind hatte. Eine Woche nach ihrer Geburt wurde in einer orthopädischen Klinik festgestellt, dass ihre Hüftgelenke etwas rigide seien. Das sei nicht schlimm, wurde ich getröstet, aber präventiv solle sie intensives Bobath-Turnen machen. Die Bobath-Therapie geht davon aus, dass unser Gehirn eine »Umorganisationsfähigkeit« besitzt, dass gesunde Hirnregionen Funktionen der erkrankten Hirnregionen übernehmen können. Durch abgestimmte Bewegungen können die betroffenen Hirnregionen wieder aktiviert werden. Bei Lena muss das besonders gut gelungen sein. Die Physiotherapeutin legte das kleine braune Körperchen mit den dicken dunklen Haaren sanft auf den riesigen Gymnastikball, und reflexartig hob Lena ihr Köpfchen. Bobath-Turnen ist für ein vier Wochen altes Baby Hochleistungssport, erklärte mir die Therapeutin. Ein Jahr lang ging Karim vier Tage die Woche mit Lena zum Bobath-Turnen, und sie entwickelte sich gut. Diesem frühen intensiven Training ist es zu verdanken, dass Lena später beim Schwimmen und beim Fechten eine unglaubliche Kondition hatte.

    Als Lena anderthalb Jahre alt war, wurde sie wieder krank und bekam eine Fazialisparese, eine Gesichtslähmung. Niemand konnte uns sagen, woher diese plötzliche Lähmung des Gesichtsnervs kam. Es gab einen Verdacht auf Hirnhautentzündung, der sich aber als unbegründet erwies. Etwa ein halbes Jahr später verschwand die Lähmung so spontan, wie sie erschienen war. Kann es einen Zusammenhang geben mit diesen schweren Erkrankungen in Lenas früher Kindheit und der späteren Psychose? Ich frage mich, ob es falsch gewesen war, eine Hausgeburt zu machen, obwohl eine sehr erfahrene Lehrhebamme mich begleitete. Vermutlich hätte ich frühzeitig einen Kinderpsychiater konsultieren sollen. Wenn in der Familie bereits psychische Erkrankungen vorkamen, dann kann man von einer Krankheitsdisposition sprechen, und je früher man eine Krankheit erkennt, desto besser kann man etwas dagegen tun. Mit einem hochsensiblen oder vulnerablen – verletzlichen – Kind muss und kann man anders umgehen als mit einem Kind ohne diese Belastung.

    In der Grundschule war Lena schüchtern, und ihre Noten waren durchschnittlich. Eine Knospe, die sich erst noch öffnen muss, wie es ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher