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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Autoren: Janine Berg-Peer
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ich sie hierhergebracht habe, sie habe einsperren lassen. Aber ich weiß auch nicht, was ich anderes hätte tun können.
    Auf meine Fragen sagt die Schwester, man habe Lena ein Beruhigungsmittel gegeben, damit sie erst einmal schläft. Alles Weitere könne ich dann im Gespräch mit den Ärzten klären. Nein, heute natürlich nicht mehr, aber morgen. Oder übermorgen, wann genau, könne sie nicht sagen, die Ärzte seien sehr beschäftigt. Ich solle einfach kommen und warten, bis die Ärzte Zeit hätten. Ich solle mir keine Sorgen machen, meine Tochter sei hier gut aufgehoben. Die Schwester ist nicht unfreundlich, scheint aber wenig interessiert, mir wenigstens kurz zu erklären, was hier vor sich geht. Sie verhält sich normal, aber für mich ist es keine normale Situation. Ich soll mir keine Sorgen machen, nachdem unser bisheriges Leben gerade zusammengebrochen ist?
    In dieser Nacht kann ich nicht schlafen. Noch immer begreife ich nicht wirklich, was passiert ist. Ich telefoniere mit meinen anderen Kindern, ich rufe eine Freundin an. Alle sind erschüttert und ratlos. Bei anderen Krankheiten würde man sofort gute Ratschläge erhalten, Empfehlungen für Ärzte und aufmunternde Erfahrungsberichte. Aber nicht bei Schizophrenie. Es existiert kein Alltagswissen über Schizophrenie, niemand hat von der Großmutter, Lehrerin oder praktischen Ärzten Tipps bekommen, wie man sich bei einer psychischen Erkrankung verhält. Dabei ist es das, was ich jetzt brauche. Rat, Hilfestellungen, Informationen, Menschen, die meine Fragen beantworten und mir versichern, dass es gute Therapien gegen psychische Krankheiten gibt.
    Am nächsten Tag muss ich wieder ein Seminar halten. Kurz überlege ich, ob ich es absagen soll, aber ich habe Angst vor den Konsequenzen. Ich weiß nicht, wie ich das Seminar mit verheulten Augen und innerlich zitternd durchstehen soll, aber es funktioniert überraschend gut. Vielleicht ist es sogar besser, dass ich nicht ständig über Lena nachdenken kann, sondern mich auch noch auf andere Aufgaben konzentrieren muss. Es dauert vier Tage, bis ich ein Gespräch mit einem Stationsarzt führen kann, er ist einfach zu beschäftigt. Ich wundere mich, dass es für die Ärzte nicht wichtig zu sein scheint, mit mir zu sprechen.

    Meine Besuche in der psychiatrischen Klinik werden zu praktischen Übungen in Durchsetzungsvermögen. Ich lerne, beharrlich oder auch mal unfreundlich zu sein, bis ich einen Arzt dazu bringe, mit mir zu sprechen. Oder eine Schwester dazu zu überreden, mir ein Handtuch für Lena zu geben. Es braucht viel Zeit und Geduld, um auch nur zu erfahren, wann Besuchszeiten sind oder wo ich das Taschengeld für Lena hinterlassen soll. »Ich habe jetzt keine Zeit!«, tönt es aus dem Schwesternzimmer. »Kommen Sie später wieder.« Ich mache die Erfahrung, dass »später« ein äußerst dehnbarer Begriff sein kann. Aber ich brauche doch Informationen über Lenas Zustand, und ich muss mehr über ihre Krankheit wissen.
    Das erste Gespräch mit einem Arzt ist dabei wenig hilfreich. »Was wollen Sie denn wissen?«, fragt Dr. C. kurz angebunden und guckt nervös auf seine Armbanduhr. Ich hatte angenommen, dass Ärzte einer Mutter, die ihre Tochter wegen einer psychischen Erkrankung im Krankenhaus lassen muss, gegenüber zugewandter sind. Sie müssten sich doch vorstellen können, dass eine Mutter in so einer Situation genau wissen möchte, was mit ihrem Kind geschieht, und dass sie aufgeregt ist. »Ihre Tochter hat eine ernsthafte psychische Erkrankung, und wir behandeln sie zunächst mit Neuroleptika. Es wird ein paar Tage dauern, bis das anschlägt und wir sagen können, mit welchen Neuroleptika wir weitermachen und in welcher Dosis.« Ich habe noch nie etwas über Neuroleptika gehört. Dr. C. erklärt mir, dass Neuroleptika gegen Erregungszustände bei Schizophrenie eingesetzt werden. Mehr Zeit hat er nicht. Zu Hause lese ich nach, dass Neuroleptika oder auch Antipsychotika dämpfend auf Erregungszustände, aggressives Verhalten sowie psychotisches Erleben wie Sinnestäuschungen, Wahndenken und Ich-Störungen wirken. Neuroleptika blockieren Rezeptoren von Hirnbotenstoffen wie Dopamin, was zu der antipsychotischen Wirkung führt. Für mich ist das alles völlig neu und schwer zu verstehen, ich werde den Ärzten vertrauen müssen.
    Wie lange Lena denn im Krankenhaus bleiben müsse, will ich wissen. Das, antwortet Dr. C., könne man nicht sagen. Es könne Wochen, aber auch Monate dauern, da es eine wirklich
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