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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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eine
polnische Schülergruppe in Pfadfinderuniformen, mit Halstüchern wie früher
unsere Pioniere, aber weiß und rot. Hinter uns eine Gruppe dunkelhäutiger
Mädchen in irgendeiner Ordenstracht, weiß und blau. Ich hatte darauf gehofft,
die Schweizer Garde mit ihren Hellebarden zu sehen, aber am Zaun wurden wir
von Sicherheitsleuten in Sonnenbrillen und schwarzen Anzügen kontrolliert.
Isoldes nackte braune Schultern wurden beanstandet, es gab einen riesigen
Plastikkorb voll schwarzer Tücher, sie legte sich eines um. Sah nun aus wie ein
altes Mütterlein, mimte es auch gleich mit zittrigen Händen, lachte. So wurden
wir eingelassen. Die erste Runde durch den Dom liefen wir gemeinsam, dann sagte
sie, sie wolle eine Kerze anzünden, ich ließ sie allein. Stellte mich in die
Schlange der Pilger vor der Statue des heiligen Petrus, alle wollten sie ihm
an den Fuß fassen und sich dabei etwas wünschen. Diesmal hatte ich die
weiß-blauen Ordensschwestern vor und die polnischen Pfadfinder hinter mir. Ich
stand und las im Reiseführer, dass das in Wirklichkeit gar nicht Petrus war,
sondern ein antiker Jupiter, der Donnergott. Dem hatten sie irgendwann einen
neuen Kopf aufgesetzt und anstelle des Bündels Blitze den Schlüssel in die Hand
gesteckt. Die Schlange rückte nur langsam vor, jedes der schwarzen Mädchen gab
sich lange mit Jupiters Fuß ab. Hinter mir stand eine schwarz gekleidete Frau
mit ihrem Sohn, der ungefähr zehn war und blind. Der Junge runzelte die Brauen,
hin und wieder ging ein Zucken über sein Gesicht. Schließlich war ich an der
Reihe und sah, dem heiligen Fuß fehlten die Zehen, wie von der Lepra
abgefressen. Ich berührte ihn, fühlte die Kälte der Bronze und den klebrigen
Schweiß Hunderter Menschen, instinktiv zog ich die Hand zurück. Als mir der
Gedanke durch den Kopf schoss, dass ich vergessen hatte, den Wunsch
anzubringen, war es zu spät, der leprazerfressene Stumpf schon von der Hand der
Mutter des blinden Kindes belegt. Ich schlenderte weiter durch den Dom. Sie
stand immer noch am selben Fleck, mit der Kerze in der Hand. Die Kerzen hier
kamen mir irgendwie albern und unpassend vor, sie steckten in roten Gläschen,
wie sie sonst in Restaurants auf den Tischen stehen. Mit dem rot leuchtenden
Stummel in der hohlen Hand und dem fremden schwarzen Tuch um die Schultern
erschien sie unversehens vom Alter gebeugt, mit aufgelöstem Haar. Ich ging auf
sie zu, wollte sie umarmen, doch im selben Moment meinte ich deutlich den
fremden Schweiß auf den Fingern zu spüren und hatte das Bedürfnis, mir die
Hände waschen zu gehen.«
    »Ich sehe,
du hast überhaupt nichts begriffen. Ihr Oberschlauen müsst immer alles
kompliziert machen! Erst erfindet ihr ein Rom, und dann wundert ihr euch, dass
es dieses Rom gar nicht gibt und dass im Forum höchstens noch ein paar von der
Zeit angekaute, verkrautete Gerippe herumliegen. Erst erfindet ihr den Tiber
und erwartet wer weiß was davon, und dann ist er so trübe und tiberig wie im
wahren Leben. Anstatt dass ihr die Tiberwelt liebt, wie sie ist! So einfach ist
das. Du hättest ihr Tristan werden sollen. Es hätte sich gehört! Ihr den Tag in
Izzalini zurückzugeben! Dann wärest du es, der mit dem Buch auf der
Luftmatratze unterm Baum liegt, und aus den Zweigen seilen sich an unsichtbaren
Fäden kleine, flinke schwarze Raupen ab. Fallen her über alles, was atmet:
Blätter, Schatten, Steine. Ein kleines Tatarenheer. Und das hier ist noch gar
nichts, voriges Frühjahr haben sie den Rosenbusch da bis auf die Rinde kahl
gefressen. Wo du hinschaust, ist Leben: Du hast das Buch nur für einen Moment
im Gras abgelegt, um das T-Shirt auszuziehen - als du es wieder zur Hand
nimmst, krabbeln Ameisen über die Seite wie panisch gewordene Buchstaben. Im
Paradies muss man auf der Hut sein: Wie schnell ist einem ein Skorpion in die
Tasche oder in den Schuh gekrochen! Den Gang übers Grundstück nicht ohne Stock
machen, den Boden vor sich abklopfen, es gibt Schlangen! Das Haus liegt am
Berg, das Dorf unten im Tal - unsichtbar hinter den Baumwipfeln, einzig vom
Balkon lassen sich der Turm des Castello und das Kirchdach sehen. Aus dem Dorf
klingt der Lärm einer Kreissäge herauf, in den Pausen setzen die Vögel ein, das
Laub und die patschenden nackten Füße. Vor zwanzig Minuten waren ihre Brüste
unter der Dusche vom eiskalten Wasser ganz gänsehäutig und straff. Jetzt knallt
die Sonne, und alles verkriecht sich in den Schatten: der zugewachsene Weg, der
von den

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