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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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Vernehmers.
    Fürwahr ein sonderbarer Anblick ein weinender Vernehmer! Dann aßen alle gemeinsam zu Mittag, und anschließend blieben Schindlers und seine ehemaligen Gefangenen einige Tage in einem Hotel am Bodensee, das von der französischen Militärregierung requiriert worden war. Als Schindler sich an diesem Abend mit seiner Frau und den acht jungen Leuten zum Essen setzte, war alles, was ihm gehört hatte, in den Besitz der Sowjets übergegangen und seine letzten Habseligkeiten, Schmuck und Bargeld, im Rachen der Bürokratie der Befreier verschwunden. Er war praktisch bettelarm, speiste aber vergleichsweise ausgezeichnet in einem guten Hotel und in guter Gesellschaft. Nach diesem Muster etwa sollte er fortan leben.
     
    Epilog
    Damit war der Höhepunkt in Schindlers Laufbahn überschritten; die Zeit des Friedens war für ihn längst nicht so anregend wie die Kriegsjahre. Er ging mit seiner Frau nach München und teilte die Wohnung zeitweise mit Rosners, die in einem Restaurant musizierten und in bescheidenem Wohlstand lebten. Einer seiner ehemaligen Schützlinge traf ihn dort und war entsetzt, als er sah, daß Schindler einen zerfetzten Mantel trug. Sein Eigentum in Krakau und Mähren war selbstverständlich eingezogen worden, und andere Mittel besaß er nicht mehr.
    Feigenbaums lernten seine neueste Geliebte in München kennen, eine junge Jüdin, die nicht Brünnlitz, sondern viel schlimmere Lager überlebt hatte. So mancher Besucher schämte sich für Schindler seiner Frau wegen, auch wenn man dazu neigte, ihm vieles nachzusehen. Im übrigen war er immer noch ein generöser Mann, wenn auch in den ihm nun gezogenen Grenzen, und hatte eine Nase dafür, wo man etwas organisieren konnte, beispielsweise Hühner, und das ausgerechnet in München. Er suchte die Gesellschaft seiner Juden, die jetzt in Deutschland lebten Rosners, Pfefferbergs, Dresners, Feigenbaums, Sternbergs. Zyniker sagten später, für jeden, der mit Konzentrationslagern zu tun gehabt habe, sei es damals ratsam gewesen, sich an jüdische Freunde zu halten, doch auf Schindler traf dies ganz und gar nicht zu — die Schindlerjuden waren seine Familie geworden.
    Man erfuhr, daß Göth im vergangenen Februar von den Amerikanern in einem Lazarett in Bad Tölz erkannt, in Dachau eingesperrt und nach Kriegsende den Polen übergeben worden war als einer der ersten Deutschen, die in Polen abgeurteilt werden sollten. Ehemalige Häftlinge sollten in diesem Prozeß für die Anklage aussagen, und der wohl schon umnachtete Göth hatte als Entlastungszeugen Schindler und Helene Hirsch benannt. Schindler fuhr nicht nach Krakau zum Prozeß. Die anderen berichteten, Göth, dank seines Diabetes stark abgemagert, habe keinerlei Reue gezeigt. Er beteuerte, er habe nur die Befehle seiner Vorgesetzten ausgeführt, also seien sie die Verbrecher und nicht er. Daß er aus eigener Machtvollkommenheit Gefangene erschossen habe, sei eine böswillige Übertreibung; er habe einige Gefangene wegen Sabotage erschießen lassen, und Saboteure gebe es nun mal in jedem Krieg.
    Mietek Pemper wartete neben einem anderen, der auch in Plaszow gewesen war, darauf, als Zeuge aufgerufen zu werden und hörte ihn sagen: »Ich habe immer noch Angst vor dem Kerl.« Pemper war der Hauptbelastungszeuge und gab eine genaue Aufzählung von Göths Verbrechen. Ihm folgten andere Zeugen, darunter Dr. Biberstein und Helene Hirsch, die ebenfalls exakte, wenn auch schmerzliche Erinnerungen hatten. Göth wurde zum Tode verurteilt und in Krakau am 13. September 1946 gehängt, auf den Tag genau zwei Jahre, nachdem ihn die SS in Wien wegen seiner Schwarzmarktgeschäfte verhaftet hatte.
    Die Presse berichtete, er habe auch unter dem Galgen nicht bereut und noch am Schluß zum Nazigruß die Hand erhoben. Schindler identifizierte in München den ehemaligen Lagerkommandanten Leipold, den die Amerikaner in Gewahrsam hielten. Als Leipold alles abstreiten wollte, fragte ihn Schindler: »Ist es Ihnen lieber, sich von den fünfzig wütenden Juden identifizieren zu lassen, die da draußen auf der Straße warten?« Auch Leipold wurde gehängt, nicht wegen seines Gastspiels in Brünnlitz, sondern weil er schon davor im Lager Budzyn gemordet hatte.
    Um diese Zeit war vermutlich in Schindler schon der Plan gereift, in Argentinien eine Nutriazucht aufzuziehen und damit ein Vermögen zu verdienen. Offenbar glaubte er, daß der gleiche sichere Instinkt, der ihn 1939 nach Krakau getrieben hatte, ihm jetzt gebot, nach
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