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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)
Autoren: Leif Randt
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unattraktiven. Das wurde nur dramatischer berichtet … Jetzt kann man auf den ColemenHills Architekten etwas Neues entwerfen lassen. Es wird eine weltweite Ausschreibung geben und zuletzt kommt dann etwas komplett Merkwürdiges dabei heraus und CobyCounty bleibt im Gespräch.«
    Wesley hebt den Arm. Einen Moment später werden auch uns kleine Mineralwasserflaschen auf den Tisch gestellt. Ich nehme an, nun etwas nachdenklich auszusehen. »Warum sollte Chapmen so viele Veränderungen wollen? Es geht hier doch allen ziemlich gut.«
    Wesley atmet tief durch. »Der Zenit ist längst überschritten. Du brauchst dich nur umzusehen. Irgendwann will kein Freiberufler mehr nach CobyCounty, kein Künstler, kein Grafiker, kein Autor …« Wesley, der jetzt vielfach blinzelnd unsere Zukunft umreißt, erinnert mich plötzlich an meinen Dad, als der versuchte, den Roman seiner untalentierten Cassandra zu bewerben. Mein Dad und Wesley, sie haben wahrscheinlich gemeinsam, dass sie sich beide auf einer leicht verzweifelten Suche befinden, die sie zuerst raus aus CobyCounty und dann wieder hinein führt, jedoch nicht ohne Verluste. Wesley sagt: »Eines Tages könnte unser Frühling Abschlussklassen und junge Familien anziehen … Der Grat ist schmal, Wim. Wir müssen in Bewegung bleiben.«
    Ich stelle das Glas zwischen uns ab. »Aber auf wessen Seite stehst du? Findest du das gut, was Chapmen macht?«
    »Ich verstehe sein Vorgehen. Aber ich lehne es ab. Er will die Dinge auf kleinen Lügen aufbauen, und das kann er mit uns nicht machen, nicht mit den Bewohnern von CobyCounty …«
    Ich schlucke und nicke einmal, um dann zu sagen: »Du nimmst manches zu ernst. Was ist, wenn du dich irrst? Vielleicht sieht Chapmen gar keine großen Zusammenhänge, vielleicht will er einfach regieren und nur das Beste für uns, wie ungeschickt er dabei auch wirken mag.«
    Wesleys linkes Augenlid zuckt. Das ist ihm früher nie passiert, aber vielleicht ist das gar nicht problematisch.
    Auf der Straße gerate ich in einen Starkregen, der aus einer einzigen Wolke zu fallen scheint. Ich ziehe meine Kapuze über den Kopf und höre die Tropfen auf das beschichtete Nylon eintrommeln. Nach wenigen Schritten endet der Regen wieder, und ich trete auf ein Feld aus Sonnenlicht hinaus. Hinter mir wandert die Wolke weiter. Womöglich wird man später Kinder klitschnass darunter hindurchrennen sehen. Ich nehme an, dass das Regenwasser jetzt auf meiner Kapuze verdampft, es ist ziemlich warm.
    Auch meine Mutter trägt etwas auf dem Kopf, einen Hut aus Bast, darunter ihre dunkle Sonnenbrille. Sie kommt mir entgegen, als wollte sie pünktlich sein, dabei waren wir nicht einmal verabredet. Ich fürchte, dass diese Begegnung dazu führen könnte, gemeinsam einen Kaffee zu trinken, also sage ich zuerst:
    »Ich werde keinen Kaffee trinken können. Der Espresso, den ich mit Wesley genommen habe, wirkt noch in mir.«
    »Wesley ist zurück!? Ist alles okay bei ihm?«
    »Ja. Irgendwie schon. Also es geht ihm eigentlich besser als vorher.«
    »Na ja. So braucht jeder mal seine Auszeit.«
    Weil ich nichts trinken möchte, begleitet mich meine Mutter ein Stück zu Fuß. Einmal deute ich in Richtung der Wolke, die sich nun schon weit wegbewegt hat, auf die andere Seite der Stadt.
    »Die Wolken ziehen ungewöhnlich schnell« , sagt meine Mutter, »das ist früher nie so gewesen.«
    »Aber daran ist nichts Schlimmes, oder?«
    »Wenn man den Prognosen glauben darf, dann schon.« Sie schaut mich von der Seite an, ihre Augen sind hinter der Brille nicht genau zu erkennen. Ich glaube, dass sie blinzelt. »Tom und ich haben zwei Koffer gepackt. Nur das Nötigste.«
    »Du sprichst von der Sturmfront, die über den Ozean zieht?«
    Sie nickt. »Wenn sich alles so weiterentwickelt, dann fahren wir morgen los. Zuerst in die Suburbs, zu meinem Cousin. Danach vielleicht in die Berge.«
    Ich gehe still vor mich hin. Eigentlich ist die Haltung meiner Mutter nicht irritierend, denn auch ihrer leisen Panik wohnt ein optimistischer, fast euphorischer Tonfall inne. Die Flucht vor der Sturmfront würde sie als spontanen Urlaub begreifen. Meine Mutter wird immer ehrlich zu sich selbst sein, denke ich, sie wird sich einfach für immer etwas vormachen.
    »Ich habe Carla im Supermarkt getroffen«, erzählt sie, vielleicht um das Thema zu wechseln, »sie schien etwas vorsichtig mir gegenüber, ein bisschen zu nett vielleicht, aber sehr aufgeräumt. Sie lässt dich grüßen …«
    »Ja, ich habe mit ihr
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