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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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Windbö ließen mich einen kurzen Augenblick zweifeln. Aber nein, ich wusste, dass ich es wusste.  
    »Ja, Fish, ich weiß es. Mach mal nicht so einen Wind.«  
    Fish sah mich gespannt an. Ich wollte erklären, dass ich diejenige war, die Poppa aufwecken musste. So einfach war mein Schimmer – er bestand darin, dass ich andere aufwecken konnte, so wie Samsons Schildkröte. Ich war mir sicher. Ich wusste, dass man einen Schimmer nicht herbeiwünschen konnte, aber ich hatte ja den Beweis, dass alles, was ich brauchte, um Poppa aufzuwecken, schon in mir drinsteckte, es wartete nur darauf herauszuplatzen wie Rockets Funken oder Fishs Wind und Regen – wenn ich es nur bis nach Salina schaffte. Das alles wollte ich meinem Bruder gerade erzählen, aber da entdeckte Will junior uns.  
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mibs«, sagte er und lächelte. »Kommst du nicht zu der Feier?«  
    »Ich komme«, sagte ich zu Will und befreite mich mit einem Ruck aus Fishs festem Griff.  
    Fish ließ mich gehen, aber er sah mich mit einem messerscharfen Blick an, und dann ließ er aus den Wolken über uns ganz unvermittelt Regentropfen wild herunterprasseln. Ich warf Fish einen ebensolchen Blick zu, dann lächelte ich mein Lächeln für Will junior und ließ mich von ihm in die Kirche ziehen, geradewegs hinein in die Katastrophe meines dreizehnten Geburtstags.  

6. Kapitel
     
    Als ich durch die offene Flügeltür in die Kirche trat, hatte ich das Pech, direkt Ashley Bing und Emma Flint in die Arme zu laufen, beide geschniegelt und gebügelt für die Feier. Ich hatte gehofft, ich müsste, nachdem ich die Hebron-Schule für immer verlassen hatte, keins dieser Mädchen je wiedersehen. Aber an diesem Tag war das, was ich mir wünschte, etwas ganz anderes als das, was ich bekam.  
    Ashley schaute von mir zu Fish zu Will junior und ließ den Blick extra lange auf Will ruhen. Vielleicht lag es daran, dass ich jetzt dreizehn war oder dass Fish und Will bei mir waren, aber ich fühlte mich mutiger als in der Schule, und so stand ich unerschrocken vor dieser Rotzgöre und ihrem ewigen Echo.  
    »Was hast du hier überhaupt verloren?«, sagte ich. Es passte mir nicht, wie Ashley Will anglotzte, oder vielleicht passte es mir nicht, dass es mich störte.  
    »Meine Mutter hat gesagt, ich muss, Missi-Pissi«, sagte sie, ohne den Blick von Will zu wenden.  
    »Ja, Missi-Pissi«, echote Emma.  
    Knallrot und beschämt stand ich da. Ich konnte es nicht fassen, dass die beiden mich vor Will junior mit diesem grässlichen Namen angesprochen hatten. Am liebsten wäre ich unter den fleckigen braunen Teppich gekrochen und nie wieder hervorgekommen. Fish sah die beiden Mädchen finster an, und ein Windstoß traf sie so heftig, dass sie schnell aus der offenen Tür gingen, ihre Frisur richteten und ihren flitterigen Firlefanz ordneten. Fish sah mich nicht an, seine Miene verfinsterte sich noch mehr, und ich wusste, dass er sich vor den anderen eigentlich nicht so hatte gehenlassen wollen.  
    »Freundinnen von dir?«, fragte Will mitfühlend, ohne groß auf Fish oder den Wind zu achten.  
    »Wohl kaum«, murmelte ich, immer noch beschämt.  
    Er nickte. »Ich glaub, auf solche Freundinnen kannst du auch gut verzichten.«  
    Danach verlor Will junior netterweise kein Wort mehr über Ashley und Emma. Er führte uns vorbei an der Tür zum Altarraum und an der offenen Tür zum Büro seines Vaters, und dort schwand sein Lächeln, als wir kurz stehen blieben und hineinspähten. Ich erhaschte einen Blick auf Pastor Meeks, groß und zugeknöpft, wie er mit einem Mann redete und auf eine große rosa Bibel schlug, die er in der Hand hielt. Der Pastor sah nicht besonders glücklich aus. Sein gelber Schlips hing schief und er spuckte beim Sprechen.  
    Will junior fuhr sich mit einem Finger in den eigenen gestärkten Kragen, als ob ihm der oberste Knopf die Luft abschnürte, und führte uns schnell an der Tür vorbei in den Festsaal. Rote und orangefarbene Luftschlangen aus Krepppapier hingen schlaff im Gemeindesaal wie Überreste einer anderen Party. Der Saal war leer bis auf eine große Schokoladentorte ohne Zuckerrosen und ohne eine einzige Kerze, nicht mal eine tropfende, und einen kleinen Haufen in letzter Minute gekaufter Geschenke. Die meisten Leute standen immer noch draußen herum, wahrscheinlich wussten sie noch nicht so recht, wer da eigentlich gefeiert werden sollte.  
    Als wir an dem Tisch vorbeikamen, nahm Will
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