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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe
Autoren: Oliver Schaewen
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Militärs und der Geheimdienste weiter solche Fort­ schritte macht, wird es immer leichter zu morden.«
      »Ist mir schleierhaft, wie der Schäufele an das Zeug kommen konnte«, gab Besold zu verstehen.
      »Ach, wenn Sie mal bei der Stasi gewesen sind, ken­ nen Sie die Methoden, sich so etwas zu beschaffen – auch wenns das damals noch nicht gab.«
      »Immerhin war der Täter so sozial, die Bombe nur auf Dollinger zu trimmen«, bemerkte der Kriminal­ techniker.
      »Na, da bin ich aber anderer Meinung, Besold. Über­ legen Sie mal, wen es noch alles hätte treffen können. Irgendwelche harmlosen Bibliothekare oder Archiv­ nutzer, die in der Nähe von Dollinger ahnungslos dort unten herumlaufen.«
      »Jouh, is ja schon gut, Chef. Sie werden gleich immer so ernst, wenns um Tote geht.« Der Kommissar respek­ tierte, dass sein Kriminaltechniker dieses Thema nicht weiter vertiefen wollte und schwieg.

    Struves Lieblingsfeind Karl Littmann und der Polizei­ präsident Hans Kottsieper betraten den Raum.
      »Achtung, alle mal kurz in Deckung gehen!«, rief Struve den Kollegen zu.
      Tatsächlich liefen die beiden an ihnen vorbei. Vorne allerdings fanden sie keinen Platz mehr. Kottsieper trat leicht verunsichert den Rückzug an. Schade, dass Litt­ mann sie nun erkannt hatte. Dämlich grinsend winkte er ihnen zu, bevor er von Kottsieper an den äußeren Rand der vierten Reihe geschoben wurde. Hinter die­ser Säule würden sie von dem Geschehen vorne wenig mitbekommen. Struve grinste schadenfroh.
      »Douze points pour Littmann«, freute er sich, als er sah, dass eine riesige Lautsprecherbox neben dem Platz des Kollegen aufgestellt worden war.
      »Hä?«, entfuhr es Melanie Förster, die seinen Satz nicht ganz nachvollziehen konnte.
      »Schaut mal, da ist dieser fahrende Handschriften­ händler Selldorf!«, rief Besold. Er kannte den Litera­ turagenten, weil er das bei ihm gefundene Dokument auf Spuren untersuchen musste. »Dass der sich noch hierhin traut.«
      »Geschäfte, lieber Besold, Geschäfte«, antwortete ihm Struve. »Will gar nicht wissen, was hier alles an Kundschaft rumspringt.«
      Utz Selldorf stand noch im Foyer, unterhielt sich mit Siegfried Derwitzer, dem Marbacher Selfmade­Autor, der Luca Santos geholfen hatte. Struve fiel auf, dass sich Selldorf ständig umblickte und sich nicht rich­ tig auf Derwitzer konzentrierte. Irgendwie passten die beiden schon rein äußerlich nicht zusammen. Selldorf trug ein teures weißes Sakko, das seine solariengepflegte Gesichtsbräune unterstreichen sollte. Derwitzer hatte seine verschlissene Cordjacke an, mit der er zu jedem öffentlichen Termin ging. Selldorfs umherschweifen­ den Blicke fanden schließlich ein Ziel: Bürgermeister Norbert Rieker. Das Stadtoberhaupt ging sofort auf ihn zu und begrüßte ihn per Handschlag: »Na, mein lieber Herr Selldorf, ich freue mich, dass Sie hier sind. Es ist doch schön, dass sich die Nebel gelichtet haben und wir wieder eine traute Familie um den großen Friedrich Schiller bilden können, meinen Sie nicht auch?«
      Selldorf lächelte gequält. »Macht fünf Euro fürs Phrasenschwein, Rieker.«
      Das Gesicht des Bürgermeisters verfinsterte sich. Mit einer solchen Abfuhr hatte er nicht gerechnet, er wollte Selldorf die Hand reichen und bekam stattdes­ sen eine verbale Ohrfeige.
      Aber was machte jetzt sein Gegenüber? Selldorf stellte sein Sektglas ab, schlug ihm kumpelhaft auf die Schulter und rief: »Na, Schwamm drüber, altes Haus – ich sehe ja, dass du gut drauf bist und alles im Griff hast.«
      Die zur Schau gestellte Kumpanei überraschte auch Struve. Er schüttelte den Kopf, suchte nach einer Schnitt­ menge zwischen dem weltweit operierenden Literatur­ agenten und dem lokal verwurzelten Verwaltungschef, fand sie aber nicht. Er beugte sich im Flüsterton zu Melanie Förster. »Dass die beiden so gut miteinander können, hätte ich jetzt aber auch nicht gedacht.«
      Was Struve nicht wusste: Selldorf und Rieker hatten sich tatsächlich zwischenzeitlich verständigt und Frie­ den geschlossen. Für Selldorf war es nicht mehr interes­ sant, den Bürgermeister wegen seines Verhältnisses zu Gianna Signorini zu erpressen. Rieker hatte die Flucht nach vorne ergriffen und sich mit seiner Frau ausge­ sprochen. Als die Schwangerschaft der Hotelbesitze­ rin bekannt wurde, kriselte es zwar im Hause Rieker noch einmal gehörig, aber letztlich siegten die Vernunft und das
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