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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe
Autoren: Oliver Schaewen
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mimen. Trotzdem würde er den Abend nutzen, um Marie zu beeindrucken. Die Vorfreude auf das kleine Jubiläum an diesem 29. August hatte er in den vergan­ genen Wochen im Stillen gehegt. Sie waren seit vier Jah­ ren verheiratet, und Struve beobachtete manchmal klei­ nere Reibereien, wie sie der Alltag einer Ehe wohl über­ all mit sich brachte. Da konnte es nicht schaden, an das Eigentliche einer Liebesbeziehung zu erinnern.
      Der Kommissar schreckte auf. Eine Hand legte sich warm auf seine linke Schulter. Er hatte Marie gar nicht bemerkt. Struve wunderte sich über sich selbst, denn er hatte den Eingang des Biergartens im Blick behalten wol­ len. Offenbar war seine Frau zuvor noch in die Gaststätte gegangen, möglicherweise, um sich nach einem schweiß­ treibenden Tag kurz frisch zu machen. Sie beugte sich über ihn und küsste ihn kurz, aber intensiv.
      »Hallo, Schatz, wartest du schon lange?«
      »Nein.« Er log ungern, aber warum sollte er sie damit belasten, dass er seit einer halben Stunde hier saß. Bewusst hatte er sein Büro in Bietigheim früher verlas­ sen, um die Ruhe am Neckarufer zu genießen und sich einen Platz am Wasser zu sichern. Marie Struve trug ein leichtes seidenes Sommerkleid in dezenten Terrakotta­ tönen. Vorteilhaft betonte es ihren sonnengebräunten Teint wie auch ihre südländische Art mit den schulter­ langen schwarzen Haaren. Nein, wie eine 45­Jährige sah sie nun wirklich nicht aus, fand er. Um ihre schmalen Hüften hatte sie einen schwarzen Wollpullover gebun­ den, um auf die Abendkühle vorbereitet zu sein. Wie­ der spürte er ihre Wärme, als sie sich zu ihm setzte und ihn erwartungsvoll anblickte.
      »Nun erzähl schon, wie ist dein Tag gelaufen?«
      Peter Struve pflegte ihr wenig von seinen Ermitt­lungen mitzuteilen. Das hatte nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun. Er hielt Schweigsamkeit für eine der zentralen Fähigkeiten eines Kriminalbeamten. Auch hatte er im Jesuitenkolleg in seiner Heimatstadt Müns­ ter gelernt, von eigenen Befindlichkeiten abzusehen, und seine Zuhörer nicht mit Nebensächlichkeiten zu belasten. Wahrscheinlich hatte er den richtigen Beruf erwischt, denn er hasste es, in Abendgarderobe einen Schaulauf hinlegen zu müssen. Das kam zum Glück nur einmal im Jahr beim Ball der Polizeigewerkschaft auf ihn zu. Dort ging er nur hin, weil er fand, dass Polizis­ ten zusammenhalten und an der Gewerkschaftsidee fest­ halten mussten. Früher hatte er sich oft für seine strenge jesuitische Sozialisation verflucht, insbesondere wenn bei abendlichen Gesellschaften andere das Wort führten und auch auf ihn durchaus unterhaltsam wirkten. Aber Struve hatte gelernt, mit seiner ruhigen, zurückhalten­ den Art Frieden zu schließen. Er mochte kein Blender sein. Keine Verkäuferseele. Vielleicht konnte er gerade deshalb auch Kriminelle relativ leicht erkennen. Struve, der Bluthund, dachte er und lachte still in sich hinein. Es war dunkel geworden. Hinter Marie sah er die Posi­ tionslichter des Frachtkahns auf dem Neckar allmäh­ lich in einer Flussbiegung verschwinden. Freundlich lächelte er seiner Frau zu.
      »Nur Bürokram, ein paar kleine Fälle, alles so weit okay – wie hast du den Tag verbracht?«
      Im Gegensatz zu ihm würde Marie viel zu erzählen haben. Sie war erfrischend anders, das gab ihrer Bezie­ hung Halt, denn Struve hörte seiner Frau gerne zu. Sie erfuhr als Mitglied des Marbacher Stadtinfoladens aller­ hand Neuigkeiten. Den Job in dem Tourismusbüro in der Nähe des Rathauses hatte sie neben einigen anderen Ehrenämtern angenommen, nachdem ihr erster Mann vor 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Arbeiten musste sie seitdem nicht mehr, denn ihr Mann hatte ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Freilich wirkte das Leben seiner Frau auf Struve eher müßiggängerisch. Er gönnte ihr diesen klei­ nen Luxus, schließlich hatte sie oft für ihn Zeit, aber er war sicher: Für ihn wäre es ein goldener Käfig. Viel zu gerne schnüffelte er im Milieu herum, stellte Halunken nach, löste komplizierte Fälle wie andere Kreuzworträt­ sel. Etwas Unbestimmtes trieb ihn an. War er ein Jäger, oder doch nur das Opfer eines diffusen Gerechtigkeits­ wahns? Oder suchte er das Abenteuer? Oft schon hatte er sich das gefragt. Struve kannte die Antwort nicht. Vor zwei Monaten hatte er nachts in Untertürkheim einen Junkie erschossen. Es war Notwehr, aber ein schaler Beigeschmack blieb. Natürlich
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