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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe
Autoren: Oliver Schaewen
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sie, im selben Moment erkannte sie aber, dass nicht der ungebetene Spender hinter ihr stand, sondern ein junger, gut aus­ sehender Mann. Julia hielt verdutzt inne und überlegte. Dann fiel es ihr ein. Es handelte sich um einen ehema­ ligen Mitschüler aus dem Marbacher Friedrich­Schil­ ler­Gymnasium.
      »Julia?«
      »Ralf! Hey, was für eine Überraschung. Dass du immer noch hier herumhängst.«
      »Na klar, ich habe all die Jahre nur auf dich gewar­ tet«, antwortete er und verzog scherzhaft seine Mund­ winkel. »Jeden Abend habe ich Ausschau gehalten.«
      Sie lachten. Julia errötete leicht, sie hatte Ralf damals wohl gemocht, aber so richtig gefunkt hatte es zwischen ihnen nicht. Damals trafen sie sich mit ihren Freun­ den regelmäßig im Provinz, vor allem, um sich die Gigs von lokalen Bands anzuhören. Auch Ralf spielte in einer Gruppe. Sie erinnerte sich daran, dass er cool gewirkt hatte und einige ihrer Freundinnen ziemlich auf ihn abgefahren waren. Julia selbst ging in dieser Zeit mit Rico, einem introvertierten Mathematik­Ge­ nie. Ungern dachte sie daran zurück. Mit Rico hatte sie mehr ein kumpelartiges Verhältnis. Er war ziemlich stur und sie hatten sich nach zwei Monaten auch schon wieder getrennt. Dann war ihr bei einer Studentenparty Luca über den Weg gelaufen. Wo er jetzt nur blieb?
      Ralf überging ihr verlegenes Schweigen einfach. »Na, erzähl doch mal: Wie geht es dir so?«
      »Bin an der Uni in Tübingen, Germanistik und Roma­nistik, viele Hausarbeiten, meistens langweilige Semi­ nare, du weißt ja, wie das ist.«
      Ralf setzte sein Weizenbierglas ab: »Klar, hab selbst mal mein Studium abgebrochen.« Er grinste frech.
      »Aber nicht jeder schmeißt die Brocken hin«, pro­ testierte sie lächelnd. Auch wenn sie schon öfter mit dem Gedanken gespielt hatte, ihr Lehramtsstudium für ein paar Semester ruhen zu lassen, hatte sie doch nie den Mut dazu gehabt. Vielleicht würde sie für ein Jahr nach Italien gehen. Sie fand, dass sie nach dem Grund­ studium eine kleine Belohnung verdient hatte.
      Als ob Ralf ihre Gedanken gelesen hätte, erzählte er ihr von seinen eigenen Italienprojekten.
      »Du, ich habe ein kleines Unternehmen gegründet, wir produzieren jetzt auch in Bologna. Diese süßen Son­ nenschirme, die man ins Eis steckt, sind jetzt europa­ weit wieder unheimlich gefragt.« Er zeigte ihr einen der bunten Papierschirmchen. Bologna, diese schöne Stadt in der Emilia Romagna. Sie kannte sich dort unten aus, hatte mal mit Luca ein verlängertes Wochenende in der Gegend verbracht.
      »Erzähl mir doch ein bisschen von Bologna«, sagte sie, jetzt schon fast ein bisschen trotzig, als ob sie Luca damit heimzahlen könnte, dass er sie versetzte.
      Und Ralf erzählte von Italien, seine Augen leuchte­ ten. Julia bestellte sich noch ein Glas und genoss das unverhoffte Beisammensein. Ralf war alles andere als ein Langweiler. Wenn sie ehrlich war, fand sie ihn sogar immer noch ziemlich sexy.

    3

    Ihre Körper warfen tanzende Schatten in dem dunklen Zimmer. Von draußen hallte die Musik eines nahen Fes­ tes leise herein. Der Inhalt des Titels kam ihm bekannt vor: Sie versprach ihm ihre Liebe, er ging unbeirrt sei­ nen Weg. Norbert Rieker hielt gierig ihre Brüste in seinen Händen. Er begehrte sie. Sie jauchzte leise auf, ruckartig drang er in sie ein. Sie stöhnte auf.
      Sie warf den Kopf mit den langen roten Haaren wild nach hinten. Er mochte diese Momente, auch wenn sie ihm den Schweiß auf die Stirn trieben. Rieker bemerkte die Anstrengung des Augenblicks. Nur wenige Wim­ pernschläge später jedoch glaubte er sich unendlich weit entfernt von ihr. Der Gipfel der Lust würde bald erreicht sein, aber das Ganze erschien ihm ungewohnt vorhersehbar. So vorhersehbar wie die Tatsache, dass er sie in dieser Nacht verlassen würde. Nicht für immer, dazu hatten sie sich in den vergangenen sechs Mona­ ten zu sehr kennen­ und liebengelernt. Aber doch ein­ mal mehr für diese Nacht. Erneut würde er die Tür des Hotelzimmers hinter sich schließen und sich zu Fuß in sein, wenige hundert Meter entferntes, Eigenheim begeben. Seine Frau Paula würde, schon längst schla­ fend, ihn höchstens mit einem müden Grummeln von ihrer Seite des Bettes grüßen. Der Seite des Schlafge­ machs, die er schon seit Jahren mied. Nicht etwa, weil Paula im Laufe der Jahre unansehnlich geworden wäre. Noch immer zog sie die Blicke der Männer auf sich, das wusste er,
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