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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe
Autoren: Oliver Schaewen
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Jahren einen besseren Job finden. Oberbürgermeister in einer mit­ telgroßen Stadt etwa. Oder sollte er es über die partei­ politische Schiene probieren? Für die FPU nach Berlin gehen, das wäre es. Aber da war dieser Steinhorst, der schon seit Jahren den Sitz innehatte und mit der Regel­ mäßigkeit einer Schwarzwälder Kuckucksuhr ins Par­ lament einzog. Na, in diesem Wahlbezirk könnte man wahrscheinlich eine Straßenlaterne für diese Volkspar­ tei lackieren, und sie würde gewählt. Rieker überlegte. Er wusste einiges über Steinhorst, der im Ruf stand, in Berlin die Puppen ziemlich tanzen zu lassen und das Nachtleben in vollen Zügen zu genießen. Im Wahlkreis spielte er den biederen Freund der Wirtschaftsunter­ nehmen. Eine sichere Tour, zumal die Leute froh über ihre Arbeitsplätze im Sog der allgegenwärtigen Auto­ industrie waren. Vielleicht konnte er beim Kreispar­ teitag morgen Abend in der Rielingshäuser Gemein­ dehalle punkten. Steinhorst war unter den kommunal­ politischen Entscheidungsträgern im Gäu nicht beson­ ders beliebt. Möglicherweise konnte er ihn unter Druck setzen. Rieker dachte an die geplante neue Stadtbahn­Linie, die von Marbach nach Beilstein führen sollte. Er hatte es für die Stadt Marbach kategorisch abge­ lehnt, sich an den Baukosten zu beteiligen. Damit hatte er sich in der Presse anfangs noch eine blutige Nase geholt. Aber er wusste das Recht auf seiner Seite: Das Land musste ein Großteil der Zeche für die Bahnlinie zahlen. Dieser Populist Steinhorst hatte sich dagegen der Generalschelte angeschlossen. Jetzt könnte er end­ lich mit ihm abrechnen. Seine Gedanken wanderten zu Gianna. Eine Grazie, ein Geschoss. Rieker ahnte, dass sie vielleicht nur eine Fußnote in der Geschichte sei­ nes Lebens bleiben würde. Umso mehr musste er jede Minute, die ihm mit ihr blieb, genießen. Das Baugesuch für die Kulturbühne im Garten des Hotels würde keine leichte Sache werden. Der Widerstand der Anwohner könnte sich schnell formieren. Erst kürzlich hatte ihn dieser Sprecher von der Anti­Lärm­Bürgerinitiative – ach, wie hieß er noch, Dimmerschmidt, richtig – ange­ rufen und ihn wegen der Gerüchte, die inzwischen kur­ sierten, angesprochen. Er hatte ihn zunächst abgewim­ melt, aber wenn er mit Dimmerschmidt noch einmal reden würde, könnte er ihn dazu bringen, die Bürger­ initiative auf die Kulturbühne einzuschwören. Schließ­ lich war die Aufführung der Oper Nabucco auf der Schillerhöhe kürzlich ohne größere akustische Beläs­ tigungen über die Bühne gegangen. Und regte sich die Initiative nicht viel mehr über den möglichen Lärm auf, der durch die Ansiedlung eines großen Kaufkraft­ Marktes auf dem Bolzplatz an der Poppenweiler Straße drohte? Rieker war sicher, bei Dimmerschmidt punk­ ten zu können, wenn er die Kaufkraft­Manager dazu brächte, den Markt in der Nähe des Feuerwehr­Krei­sels an der Washingtoner Straße anzusiedeln. »Es ist doch alles immer ein Geben und ein Nehmen«, mur­ melte der Bürgermeister. Er gähnte und schloss die Tür seines Hauses auf.

    4

    Griesgrämig schälte Peter Struve Kartoffeln.
    »Autsch, verdammt!«
      Das Messer war ihm abgerutscht. Blut tropfte in den Kochtopf. Zum Glück hatte Marie ihre Papiertaschen­ tücher in der Küche liegen gelassen. Er wickelte eins um seinen Finger. Der Schnitt saß ziemlich tief. Das hatte er also von seinen Herdexperimenten. Was musste er sich auch von seiner Frau zum Küchenbullen degradie­ ren lassen? Und warum probierte sie ausgerechnet an einem Samstag den neuen Friseur in Großbottwar aus? Sie hatte doch die ganze Woche Zeit. Struve wickelte das Taschentuch vorsichtig ab und saugte an dem blu­ tenden Finger.
      »Na ja«, murmelte er, versorgte die Wunde mit einem Heftpflaster und nahm das Schälmesser wieder in die Hand. Wenigstens kamen endlich mal wieder Kartof­ feln auf den Tisch. Nicht, dass es ihm nicht schmecken würde, aber dass auch nach so vielen gemeinsamen Jah­ ren daheim im Steinheimer John­Lennon­Weg mittags fast immer nur Nudeln auf den Tisch kamen, nervte ihn gewaltig. Er war schließlich mit Leib und Seele West­ fale, das musste sie doch spüren. Hatte sie nicht sein glückliches Lächeln bemerkt, als er kürzlich im Och­ sen eine zischende Pfanne mit Bratkartoffeln vor sich stehen gehabt hatte? Aber zu Hause gab es: Spaghetti, Makkaroni, Tagliatelle – Pasta im zweitägigen Wech­ sel. Das konnte aus dem romantischsten
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