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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe
Autoren: Oliver Schaewen
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genau erklären. Diesmal aber, so hatte er sich geschworen, wollte er auf keinen Fall seine licht­ empfindliche helle Haut den zerstörerischen UV­Strah­ len des Südens preisgeben. Ihn ermüdeten einfach diese endlosen Fußmärsche durch die Überreste vergange­ ner Äonen. Marie hingegen blühte bei den Exkursionen regelrecht auf und überschüttete ihn mit Wissen, das sie sich in den Wochen zuvor angelesen hatte.
      »Sag mal, kann es sein, dass du dir schon ein neues Reiseziel ausgesucht hast – ich meine eins, von dem ich langsam etwas wissen sollte?« Struve hatte das Glas abge­ setzt. Nervös trommelte er mit den Fingern seiner rech­ ten Hand auf dem Tisch herum. Marie lächelte verle­ gen.
      »Nein, aussuchen wollen wir es doch gemeinsam. Aber vielleicht kann ich dir ja die eine oder andere Anre­ gung geben.«
      Das war der springende Punkt. Er hatte sich tatsäch­ lich noch nicht überlegt, wohin sie fahren könnten. Viel­ leicht hatte sie ja den Norden im Sinn. Er überlegte, ob nicht sogar ein einsamer Ostseestrand ausreichen würde, um die Seele baumeln zu lassen.
      »Ich bin schon ganz gespannt. Lass hören.«
      Marie Struve kannte die Bedenken ihres Mannes, aber bestärkt durch seine wohlwollenden Reaktionen geriet sie ins Schwärmen: »Du, ich habe da neulich ein ganz tolles Buch über die Frida Kahlo gelesen – du weißt doch, diese geniale Malerin, die in Mexiko gelebt hat. Ich finde, da sollten wir unbedingt mal hin. Ich habe vorhin auch gleich die DVD mit dem Film über ihr Leben gekauft.«
      Aha! Ein Höllentrip in die mexikanischen Subtro­ pen, und das Ganze noch mit einem Klima killenden Interkontinentalflug. Peter Struve sah sich schon in Thrombose­Strümpfen eingezwängt im Airbus sitzen, um später in einer Wüste halb verdurstet am letzten Tropfen seiner Feldflasche zu nuckeln.
      »Schön«, antwortete er etwas zögerlich. »Finde ich toll, dass du dich für eine so bedeutende Künstlerin begeisterst.«
      »Ja, aber wie ist es mit dir? Du klingst, als ob sie für dich nicht so interessant wäre.«
      »Och, ich kenne sie ja noch zu wenig, dass ich gleich – sagen wir – abheben würde.«
      Das Wortspiel ihres Mannes irritierte sie. Dass er unter Flugangst litt, hatte sie schon längst bemerkt, auch wenn er es zu kaschieren versuchte. Bisher hatte er die Angst aber immer überwunden. »Du würdest also mitfliegen, wenn du sie vorher kennenlernen könntest«, fasste sie seine Bedenken in ihrem Sinne zusammen.
      »Schatz, die Kerosinpartys da oben passen nicht zu Treibhauseffekt und Klimakatastrophe. Frida Kahlo würde da vielleicht auch nicht hemmungslos mitma­ chen.«
      Marie Struve kannte diese Einwände, aber sie würde ihren Peter schon rumkriegen. »Du, für eine Traum­ reise muss man schon mal über den eigenen Schatten springen – außerdem sind wir noch nie nach Asien oder Amerika geflogen.« Sie streichelte zärtlich sein Kinn, worauf er behutsam ihre Hand nahm und sie mit sei­ nen Händen auf dem Tisch umschlossen hielt.
      »Lass mir noch etwas Zeit, Liebling.«

    2

    Der Ventilator surrte leise. Schweiß perlte Luca Santos von der Stirn. Er konzentrierte sich auf seinen Artikel. Noch 20 Zeilen, dann würde er genug über ›Hunde­ steuersätze im Bottwartal‹ geschrieben haben.
      »Eine Tasse Kaffee gefällig?« Die Redaktionsse­ kretärin Lisa Blume stand lächelnd in der Tür. Es war
    11.30 Uhr, und Luca merkte, dass er an diesem schwü­ len Vormittag im August einen kleinen Muntermacher gut gebrauchen konnte.
      »Lass nur, ich geh schon.« Luca ließ seinen Arm thea­ tralisch kreisen. Für Lisa spielte er gerne den Kavalier. Er mochte seine Kollegin, die ihm schon so manchen Pott Kaffee an den Platz gebracht hatte. Außerdem würde ein kleiner Spaziergang vielleicht seine Fanta­ sie anregen.
      »Na, wer könnte einem solchen Angebot schon widerstehen?« Lisa klimperte mit den Wimpern. Luca stand auf und nahm grinsend ihre schmuddelige Tasse mit dem Kaffeerest vom frühen Morgen entgegen. Mit federndem Gang lief er in die kleine Teeküche im obe­ ren Stockwerk.
      Schade, dass bald für mich Schluss ist, dachte er. Er würde Lisa vermissen. Aber nicht nur sie. Das Prak­ tikum beim Marbacher Kurier in den Sommerferien hatte ihm viel gebracht. Freilich wusste er nicht, wie es danach weitergehen würde. »Du bist die Genera­ tion Praktikum«, murmelte er vor sich hin und füllte den Kaffee aus einer großen
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