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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind
Autoren: Luanne Rice
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Vernissage nach Black Hall gekommen. In dem Artikel hieß es, sie lebe noch in Honfleur, was bedeutete, dass sie nur zu Besuch da war, möglicherweise allein wegen der Ausstellung. Er fragte sich, was sie dazu sagen mochte, wenn sie wüsste, dass er seinen Traum verwirklicht hatte und tatsächlich Meeresforscher geworden war. Er hatte sie seit annähernd zwölf Jahren nicht mehr gesehen, aber ihr heute Abend die Ehre zu geben war ihm ein Bedürfnis gewesen. So viel war er einer alten Freundin schuldig.
    Das war es zumindest, was er sich einredete.
     
    Einen Tag nach ihrer Heimkehr war die Black Hall Gallery voll mit Nachbarn, Unbekannten, Kunstliebhabern und Freunden von Dana und Lily. Dana konnte es kaum fassen, dass der lang ersehnte Tag endlich da war. Sie hatte in Black Hall malen gelernt, aber sie stellte zum ersten Mal hier aus. Sie verspürte einen Anflug von Lampenfieber, als die geladenen Gäste langsam an ihren Bildern vorbeischlenderten. Aus reiner Gewohnheit wünschte sie sich, Jonathan wäre bei ihr.
    Ihre Bilder hatten gewaltige Ausmaße, mit hauchzarten Aquarell-Schattierungen in Blau und Grün auf Leinwand, ausnahmslos Meereslandschaften, viele mit einem angedeuteten Sonnenuntergang oder aufgehenden Mond am Horizont. Auf einigen war der Abendstern oder eine Mondsichel zu erkennen. Jedes Werk enthielt ein Geheimnis, in den Wellen verborgen, und Dana stand reglos da, wusste, dass ihm niemand auf die Spur kommen würde. Lily war die Einzige, die es entdeckt hatte.
    Ihre Nichte Allie machte keine Anstalten, ihre Hand loszulassen. Von ihrer Nichte Quinn fehlte weit und breit jede Spur.
    »Mommy hat es tatsächlich geschafft«, sagte Allie.
    »Ja, das hat sie, und das ist eine Glanzleistung. Sie wollte unbedingt, dass ich in Black Hall ausstelle, und hat den Galeriebesitzer überredet.«
    »So schwierig war das nicht«, kicherte Allie.
    »Das ist eine sehr renommierte Galerie«, flüsterte Martha, Danas Mutter. »Sie stellen nur Künstler aus, die international zur Spitze gehören. Siehst du die Renwicks dort drüben?«
    Dana blickte zum anderen Ende des weitläufigen, hellen Raumes hinüber. Augusta Renwick und ihre beiden Töchter Clea und Skye hatten den Galeriebesitzer umringt. Obwohl Dana die Renwicks nur vom Sehen kannte, fühlte sie sich durch ihre Anwesenheit geehrt. Augusta war die Witwe von Hugh Renwick, einem der bekanntesten Maler der Neuzeit, der in Black Hall gelebt hatte.
    »Ich kann nicht glauben, dass sie meinetwegen gekommen sind. Wer bin ich denn schon?«, staunte Dana.
    »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Liebes«, sagte ihre Mutter. »Sie sind deinetwegen hier, und mit ihnen die ganze Stadt.«
    Sie hatte Einzelausstellungen in New York, Deauville und Montreal gehabt und fragte sich nun, warum ihre Nervosität in den heimatlichen Gefilden zehn Mal größer war. Vielleicht war diese Vernissage etwas Besonderes, weil ihre Schwester sie zustande gebracht hatte. Vor zwei Jahren hatte Lily ihr mit der Bitte um Dias in den Ohren gelegen, die sie der Black Hall Gallery und anderen Galerien im Umkreis vorgelegt hatte. Der Besitzer war voll des Lobes über Danas Umgang mit Farbe und Licht und von der Idee begeistert gewesen, eine heimische Künstlerin auszustellen, die im Ausland lebte und zum ersten Mal nach langer Zeit nach Hause zurückkehren würde. Sie hatten den Juni als ersten, für die beiden beteiligten Parteien möglichen Termin anberaumt.
    »Was siehst du auf dem Bild?«, fragte Dana Allie, die das mondbeschienene Meer betrachtete.
    »Dunkles Wasser. Mit silbernen Schaumkronen.«
    »Mehr nicht?« Dana wünschte sich, Allie würde auffallen, was ihrer Mutter aufzufallen pflegte.
    Allie zuckte die Achseln, schüttelte den Kopf. »Warum malst du immer das Meer?«
    »Weil ich es unsäglich liebe.«
    »Das Wasser sieht jedes Mal anders aus. Schwarz und dunkelgrau in dem Bild und türkisblau in dem anderen dort drüben … aber als wir klein waren, hast du gesagt, Meer sei gleich Meer, es bestünde überall aus Salzwasser.«
    »Das Wasser an sich ist gleich, aber es wirkt an jedem Ort anders.« Dana drückte ihre Hand. »Jeder Küstenstrich hat seinen eigenen Charakter.« Es spielte für sie kaum noch eine Rolle, wo sie lebte, solange sie von einem Fenster ihres Hauses das Meer sehen konnte.
    Als sie nun nach Quinn Ausschau hielt, entdeckte sie das Mädchen in der Nähe des Büfetts mit den Horsd’œuvres. Gezwungen, ein geblümtes Kleid zu tragen, hatte sie das Ganze mit
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