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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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konnten. Aber er hatte es eilig gehabt, und jetzt hatte er zu viel gesammelt. Nailer kroch vorwärts und drückte das Kabelbündel an die Wand. Erleichtert stieß er schließlich die letzten Kabelschlingen von sich.
    Der Schacht stöhnte laut und erbebte unter ihm.
    Nailer erstarrte.
    Überall um ihn herum knirschte und knarrte das Metall. Der Schacht sackte ein Stück nach unten und kippte zur Seite hin weg. Der ganze Abschnitt konnte jeden Moment einstürzen. Nailers hektisches Gezappel hatte ihn aus der Verankerung gerissen.
    Nailer streckte Arme und Beine aus und blieb reglos liegen. Sein Herz raste. Er versuchte zu erahnen, was als Nächstes geschehen würde. Jetzt war kein Geräusch mehr zu hören. Nailer wartete, lauschte. Schließlich kroch er langsam weiter, vorsichtig darauf bedacht, sein Gewicht nur stückweise zu verlagern.
    Metall kreischte. Der Schacht unter ihm gab nach. Nailer versuchte verzweifelt, etwas mit den Händen zu fassen zu bekommen, während seine Welt aus den Angeln krachte. Seine Finger berührten einen Kabelstrang, und er packte zu. Einen langen Augenblick baumelte er über dem schwarzen Abgrund. Dann riss das Kabel, und er stürzte ins Nichts.
    Ich will nicht wie Jackson enden ich will nicht wie Jackson enden ich will nicht …
    Er klatschte in eine warme Flüssigkeit, und die Dunkelheit schlug über ihm zusammen.

3
    Schwimm du Blödmann schwimm du Blödmann schwimm du Blödmann …
    Schwimm!
    Nailer sank wie ein Stein. Er hatte das Gefühl, durch dickflüssige Luft zu tauchen, nicht durch Wasser. Ganz gleich, wie sehr er sich anstrengte, er wurde immer weiter in die Tiefe gerissen.
    Warum kann ich nicht schwimmen?
    Er war ein guter Schwimmer. Er hatte nie Angst gehabt, er könnte im Meer ertrinken, nicht einmal bei starker Brandung. Aber jetzt sank er unaufhaltsam. Da bekam seine Hand etwas zu fassen – das Kupferkabel. Er packte es und hoffte, dass es noch oben am Schacht festhing.
    Es glitschte ihm durch die Finger wie nichts.
    Öl!
    Nailer versuchte, einen Panikanfall zu unterdrücken. In Öl konnte man unmöglich schwimmen. Es verschluckte einen wie Treibsand. Er schloss die Finger um das Kabel und schlang es sich um das Handgelenk. Immerhin, er hörte auf, nach unten zu sinken. Ganz langsam begann er, sich durch die schmierige Flüssigkeit nach oben zu ziehen. Seine Lungen schrien nach Luft. Mit dem Mut der Verzweiflung hangelte er sich weiter. Er durfte auf keinen Fall den Mund öffnen und Öl einatmen. Dabei wäre das so einfach …
    Er durchbrach die Oberfläche wie ein Wal, und Öl rann ihm über das Gesicht. Sofort riss er den Mund auf, um nach Luft zu schnappen.
    Nichts! Nur ein merkwürdiger Druck auf seinem Gesicht.
    Die Maske!
    Nailer riss sie herunter und atmete tief durch. Öldämpfe brannten ihm in der Lunge, aber er bekam wieder Luft. Dann rieb er sich mit der sauberen Innenseite der Maske über das Gesicht. Als er die Augen öffnete, brannten sie wie verrückt. Tränen schossen ihm hinein. Er blinzelte mühsam.
    Alles war schwarz. Pechschwarz.
    Er schwamm in einem Ölsee – vielleicht war irgendwo ein Leck in einem Tank gewesen. Oder er hatte einen noch vollen Tank entdeckt. Oder … Er hatte keine Ahnung, wo in dem Schiff er sich befand. Wenn er wirklich Pech hatte, war er in einem der Hauptöltanks gelandet. Er wischte sich noch einmal über die Augen und schleuderte die jetzt nutzlose Maske beiseite. Von den Dämpfen wurde ihm ganz schwindelig. Er zwang sich, möglichst flach zu atmen, während er sich weiter an das Kabel klammerte. Das Öl brannte ihm auf der Haut. In weiter Ferne dröhnten Hämmer – Arbeiter, die sich am Schiff zu schaffen machten und nichts von seiner Notlage ahnten. Seine Hände fingen an abzurutschen. Nailer mühte sich verzweifelt, das Kabel besser zu fassen zu bekommen, und hakte sich mit dem Arm in der Schlaufe ein. Über ihm knarrte der Schacht beängstigend. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Ein Kabelstrang, der sich irgendwo verkeilt hatte, war alles, was ihn vor dem Ertrinken bewahrte. Aber wie lange? Bald würde der Schacht nachgeben, und er würde wieder nach unten sinken, seine Lunge würde sich mit Öl füllen …
    Beruhige dich, du Idiot!
    Nailer überlegte, ob er es noch einmal mit Schwimmen versuchen sollte, verwarf die Idee jedoch. Das waren nur seine Sinne, die ihm da einen Streich spielten und ihm vorspiegelten, die Flüssigkeit um ihn herum sei Wasser. Aber Öl war anders. Es trug nicht, ganz gleich, wie sehr man
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