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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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verschwitzte blonde Haar. » Ich würd zwanzigmal so viel Beute machen wie Nailer.«
    Nailer lachte. » Na dann mal los. Werden schon sehen, ob du da wieder lebend rauskommst!«
    » Die Spule ist schon voll.«
    » Pech für dich.«
    Pima tippte Nailer auf die Schulter. » Ich hab das ernst gemeint. Wir haben hier untätig rumgehockt, während wir auf dich gewartet haben.«
    Nailer sah ihr in die Augen. » Ich schaffe die Quote. Wenn dir was nicht passt, geh doch selbst rein.«
    Pima biss sich verärgert auf die Unterlippe. Sie beide wussten, dass das nicht infrage kam. Sie war zu groß geworden, und der Schorf und die Narben auf ihrem Rücken, an ihren Ellbogen und Knien sprachen eine deutliche Sprache. Leichte Kolonnen waren auf kleine Arbeiter angewiesen. Die meisten Kids wurden mit vierzehn, fünfzehn gefeuert, selbst wenn sie hungerten, damit sie nicht so schnell wuchsen. Wenn Pima keine so gute Vorarbeiterin wäre, würde sie sich längst am Strand wiederfinden und um alles betteln, was sie kriegen konnte. Stattdessen blieb ihr vielleicht noch ein weiteres Jahr, bis sie genügend Muskeln hatte, um es mit den Hunderten von anderen Bewerbern um einen Job bei den Schweren Kolonnen aufzunehmen. Aber lange würde sie es nicht mehr machen, und das wussten sie alle.
    » Du würdest dein Maul nicht wo weit aufreißen, wenn dein Vater nicht so ’ne dünne Latte wär«, sagte Pima. » Dann würd es dir genauso gehen wie mir.«
    » Immerhin eine Sache, für die ich ihm dankbar sein kann.«
    Wenn er nach seinem Vater kam, würde er nie besonders groß werden. Schnell, aber nicht groß. Tick-tocks Vater behauptete, dass sie alle recht klein bleiben würden, wegen der Kalorien, die ihnen fehlten. Die Leute in Seascape Boston, so erzählte er, waren alle hochgewachsen. Sie hatten genügend Geld und genügend zu essen. Hungerten nie. Wurden fett und groß …
    Nailer hatte sich schon oft gefragt, wie es wohl wäre, so viel zu essen zu haben – besonders dann, wenn ihm sein leerer Magen mal wieder gegen die Wirbelsäule drückte. Wie es wohl wäre, nie mitten in der Nacht aufzuwachen und auf den Lippen zu kauen, um sich wenigstens einzubilden, er würde Fleisch essen. Aber das war ein albernes Hirngespinst. Seascape Boston klang verdächtig wie der Himmel der Christen oder wie die heile Welt, die einem der Gott der Plünderer versprach, falls man auf seiner Waage zusammen mit dem eigenen Leichnam die richtigen Opfer verbrannte.
    So oder so, man musste sterben, um dorthin zu gelangen.
    Die Arbeit ging weiter. Nailer nahm sich Stück für Stück das Kabel vor und warf die Isolierung über die Reling. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie herab. Ihre Haut schimmerte feucht. Salztropfen funkelten in ihrem Haar und rannen ihnen in die Augen. Ihre Hände wurden mit der Zeit ganz glitschig, und ihre Tätowierungen leuchteten wie verschlungene Knoten auf ihren roten Gesichtern. Eine Weile unterhielten sie sich noch, machten Witze, aber nach und nach verstummten sie, fanden ihren Arbeitsrhythmus, und die Kupferhaufen wurden immer größer.
    » Der Boss kommt.«
    Der Warnruf drang vom Wasser zu ihnen herauf. Alle duckten sich über ihre Arbeit und lauerten darauf, wer wohl an der Reling erscheinen würde. Wenn es der Boss einer anderen Kolonne war, konnten sie sich entspannen …
    Bapi.
    Nailer verzog das Gesicht, als sein Kolonnenführer schnaufend über die Reling gestiegen kam. Sein schwarzes Haar glänzte, und wegen seines Wanstes fiel ihm die Kletterei ordentlich schwer. Aber es ging um Geld, also strengte sich der Schweinehund an.
    Bapi lehnte sich gegen die Reling und rang um Atem. Das ärmellose Hemd, das er trug, war vom Schweiß ganz schwarz. Gelbe und braune Flecken legten Zeugnis ab von dem Curry, das er zu Mittag gegessen hatte. Nailer knurrte allein schon bei dem Anblick der Magen, aber vor heute Abend würde er nichts zu essen bekommen; zwecklos, sich nach etwas Unerreichbarem zu sehnen.
    Bapi musterte sie mit argwöhnischem Blick, suchte nach Anzeichen, dass sie faul geworden waren und den Kampf um die Quote nicht ernst nahmen. Obwohl keiner von ihnen vorher müßig gewesen war, arbeiteten sie jetzt noch schneller, um unter Beweis zu stellen, dass sie sein Vertrauen verdient hatten. Bapi hatte früher selbst bei einer Leichten Kolonne gearbeitet; er wusste, wie es da lief, wie man sich drücken konnte. Das machte ihn gefährlich.
    » Was hast du?«, fragte er Pima.
    Pima blickte hoch und kniff die Augen zusammen. »
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