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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall
Autoren: Andrea Schacht
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rang mit Scheidungsgedanken und einem erhöhten Tablettenkonsum und ich mit einer Virusinfektion.
    Als ich nach Hause zurückkam, war ich fertig mit den Nerven und eigentlich urlaubsreif. Wahrscheinlich war das der Grund, dass ich eines Morgens in den Spiegel sah und darin das eigenartige Bild erblickte, wie ich leicht verschoben neben mir stand. Es war nicht etwa eine optische Täuschung oder gar irgendwelche Sehstörungen, es war eher der Eindruck dessen, was ich fühlte.
    Es war sehr unangenehm, und ich versuchte, der Sache nachzugehen. Rein vom Verstand her betrachtet fand ich aber nichts, womit ich mir dieses seltsame Gefühl der Entfremdung erklären konnte. Ich hatte seit sechs Jahren einen guten Job in einem renommierten Unternehmen, man kümmerte sich um mein berufliches Fortkommen mit einem Förderprogramm, meine Wohnung lag in einer günstigen Innenstadtlage, wenngleich sie ein Vermögenkostete, meine Beziehungen zu Männern gestaltete ich ohne große Gefühlsverwicklungen.
    Und dennoch, irgendetwas, das ich nicht benennen konnte, hatte angefangen, mich unruhig zu machen. Es war eine gewisse Eintönigkeit, beinahe so, als ob mein Leben nur noch in Grautönen ablief, die Farben wollten nicht so recht leuchten, über allem lag ein trüber Schleier. So war es vermutlich nicht nur dem reinen Zufall zu verdanken, dass ich eines Samstags die Stellenangebote durchblätterte und auf die Anzeige der KoenigConsult stieß. Ich handelte vielleicht etwas überstürzt mit meiner Bewerbung– ich hatte noch nicht einmal alle Papiere zusammen. Trotzdem erhielt ich schon nach zwei Wochen die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch.
     
    »Frau Farmunt, meine Herren…«
    Ich zuckte zusammen. Es ist lästig, ständig mit dem eigenen Namen angesprochen zu werden. Aber es war korrekt so, und ich konnte mich dagegen jetzt nicht mehr wehren. Zumindest hatte der Seminarleiter seinen Teil endlich beendet, und wir durften in Gruppen an die Terminals im Nebenraum.
    »Ich denke, wir drei Koenige bleiben zusammen«, schlug mein Nachbar vor. Ich nickte, und auch Schweitzer stand auf, um gemeinsam mit uns zu einem Tisch am Fenster zu gehen.
    Da ich in der Mitte saß, lag die Tastatur einladend vor mir. Ich schaltete das Gerät ein und hatte kurz darauf das Eingangsbild des Programms auf dem Schirm.
    Ich merkte sofort, dass Daniels keine Probleme mit dem Programm hatte, Schweitzer jedoch die Computerarbeit völlig fremd war. Aus Übungszwecken überließ ich ihm daher die Eingaben, aber er stellte sich so schwerfällig an, dass ich bald wieder in die jüngere Vergangenheit versank.
     
    Das Vorstellungsgespräch fand an einem Freitagnachmittag im Spätsommer statt. Ich war erstaunt, dass der Inhaber der Firma es höchstpersönlich führte. Aber dann sagte ich mir, dass bei einem kleineren Unternehmen so etwas durchaus noch üblich war. Ich war jedenfalls angenehm überrascht von Dr. Koenig. Er mochte an die sechzig sein, wirkte aber energisch und sehr gradlinig. Vielleicht ein wenig kurz angebunden.
    »Ich möchte Ihnen zunächst einmal die Ausgangssituation schildern, Frau Farmunt. Dann werden Sie mir sagen, wie weit Sie sich einer solchen Aufgabe gewachsen fühlen, und ich werde mir anschließend ein Bild von Ihren Fähigkeiten machen.«
    Ich nickte. Es hatte etwas von Prüfungsatmosphäre, dieses Gespräch, aber ich bin ziemlich stressbelastbar.
    »Es gibt ein von der französischen Regierung unterstütztes Programm, den Fremdenverkehr in der Nord-Bretagne zu fördern. Sie haben ja unserer Firmeninformation entnehmen können, welche Form der Leistung wir anbieten.«
    Ich nickte erneut. Natürlich hatte ich mir das Info-Material sorgfältig durchgelesen. KoenigConsult hatte sich einen durchaus beachtlichen Namen gemacht bei der Planung und Abwicklung im Bau von Freizeitanlagen. Von Schwimmbädern angefangen bis hin zu ganzen Hotelkomplexen. Aber auch Randgebiete dazu hatten sie bearbeitet, die Renovierung eines Schlosses aus dem vierzehnten Jahrhundert, Kirchensanierungen, Museen …
    »Es gibt für die Bretagne die Vorstellung, dort einen Freizeitpark zu bauen, Sie kennen das vermutlich, die Ocean-Parks gehören dazu.«
    Ich nickte abermals, und Koenig fuhr fort: »Auftraggeber ist ein Ihnen nicht unbekannter mediterraner Ferienclub-Betreiber. Ein internationales Konsortium wird die Abwicklung übernehmen. Allerdings existiert noch einkonkurrierendes Projekt, das von einer europäischen Kommission vorangetrieben wird. Es soll ein
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