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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall
Autoren: Andrea Schacht
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– wäre sie nicht in Yves’ Haus in den Keller gestürzt und hätte Jerôme entdeckt, wüsste er noch immer nicht, dass Luc le Gamache Lukaz Trobiant war. Er stand auf und reckte sich. Es kam eine unerwartete Zufriedenheit über ihn. Eine Entscheidung würde fallen, und er würde das Richtige tun. Etwas, das er lange aufgeschoben hatte. Es war wie ein noch ferner Wetterumschwung, eine gefühlte Veränderung, noch im Nebel der Zukunft verborgen.
    Xavier kam mit einem Kristallschälchen, vielleicht einst für Desserts gedacht, geschliffen und – wenn es einmal gründlich abgewaschen würde – wohl auch glitzernd.
    »
Allons!
«
    Sie nahmen Simons Offroader und kamen am
Marée
bleue
eben an, als die letzten Mittagsgäste sich vom Tisch erhoben.
    »Wir wollten gerade …«, sagte Kelda, aber Simon winkte ab.
    »Wir haben gegessen, ihr braucht unseretwegen nicht in die Küche. Xavier wollte herkommen.«
    Paulette kam auf die Terrasse und sah den alten Mann an. »Ungewöhnlicher Besuch, Xavier.«
    »Ja, Madame.«
    Simon merkte, dass der Alte sich unwohl fühlte, und fragte sich, ob er tatsächlich noch immer eine unangenehme Wahrnehmung hatte. Und seltsamerweise fühlte sich auch Paulette nicht gerade wohl.
    »Was willst du hier?«
    »Ich muss wohl was gutmachen.«
    »Dafür hast du lange gebraucht.«
    »Ja, blöd, nicht.«
    Ein Lächeln huschte über Paulettes Gesicht. »Es ist lange her, Xavier.«
    Yves flüsterte: »Da tun sich ja Abgründe auf!«
    »Ja, sieht aus, als ob dein Freund auch noch andere Gründe hatte, Paulettes Haus zu meiden.«
    »Maman?«
    Auch Marie-Claude hatte die Spannung zwischen den beiden bemerkt.
    »Er hatte einmal gute Chancen, dein Vater zu werden. Aber dann kam ihm etwas dazwischen, und ich ging nach Brest«, murmelte Paulette.
    Kelda kam mit einem Krug Cidre und Gläsern. »Setzt euch. Ich habe das Gefühl, hier soll etwas geklärt werden«, sagte sie.
    »Ja, sollte. Da, Madame Kelda. Waschen Sie das bitte gut ab.«
    Kelda nahm das Kristallschälchen an sich und ging damitins Haus. Dafür kam Soquette jetzt angeschlichen und wickelte sich um Simons Beine.
    »Mach es nicht so spannend, Xavier.« Simon setzte sich und streichelte die Katze.
    »Gleich. Darf ich das Haus betreten, Paulette?«
    »Es ist Marie-Claudes Haus.«
    »Kommen Sie«, sagte diese und machte eine einladende Handbewegung.
    Paulette aber setzte sich zu Simon und Yves.
    »Er war einmal ein ansehnlicher Mann und ich wahrscheinlich ein dummes Ding. Damals, als ich die alte Witwe Bellard gepflegt hatte, sind wir – na ja, ich hatte was mit ihm. Aber er war nicht einfach, der Xavier. Heute denke ich, das, was seiner Schwester und seinem Vater widerfahren ist, hat ihn verbittert gemacht. Er war ein Rebell, er geriet auf die schiefe Bahn.«
    »Das kann einem schon mal passieren. Was geschah mit seiner Familie?«
    »Sie gehörten zur Résistance und wurden zweiundvierzig an die Deutschen verraten. Man hat sie zwei Tage lang gefoltert und dann umgebracht. Er hat es miterlebt, konnte aber entkommen.«
    »Großer Gott.«
    Kelda kehrte mit dem nun schimmernden Kristallschälchen zurück, und Soquette sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Mit beiden Pfoten schlug sie in die Luft, tanzte auf den Hinterbeinen, knurrte und fauchte.
    »Soquette, was soll das?« Kelda sprang zur Seite, als die Katze versuchte, an ihren Beinen hochzuklettern. »Dieses Tier ist völlig durchgeknallt.«
    »Stellen Sie das Schälchen auf den Boden, Madame Kelda«, sagte Xavier.
    Sie tat es, und Soquette umschlich es mit gesträubtem Schwanz.
    »Was ist denn da nun schon wieder für eine Magie enthalten?«
    »Keine Magie, Madame Kelda, sondern eine Korrigane.«
    Xavier setzte sich zu den anderen unter den Sonnenschirm.
    Simon verkniff sich ein Lächeln. Der Alte lebte wirklich in der Welt der Fantasie. Aber, wie auch immer, er war in einem Land aufgewachsen, wo sich einst der Glaube an die Wesen der Anderwelt sehr lange gehalten hatte.
    »Eine Korrigane?«
    »Eine Art Fee, ein Wesen aus dem Alten Volk, Madame Kelda. Sie ist etwa so groß wie diese Katze, sieht wie ein schlankes Mädchen aus, hat lange braune Haare und Flügel wie eine Libelle.«
    »Sie können sie sehen?«
    »Sicher.«
    Kelda warf Simon einen augenverdrehten Blick zu, aber er schüttelte den Kopf.
    »Glaub es einfach«, murmelte er.
    Soquette hatte sich neben dem Schälchen niedergelassen und den Schwanz darum gekringelt. Sie sah aus, als ob sie grinsen würde.
    »Das Kätzchen sieht sie
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