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Schicksal!

Schicksal!

Titel: Schicksal!
Autoren: S.G. Browne
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fortpflanzen würden wie Karnickel auf Viagra, hätte ich um Versetzung in eine andere Abteilung gebeten. So wie
Abstinenz
etwa. Oder
Keuschheit.
Oder
Selbstbeherrschung.
    Oder
Tod.
    Ich meine: Wenn man die Menschen schon nicht davon abhalten kann, die Welt ununterbrochen mit Nachwuchs zu überfluten, könnte man wenigstens die Schleusentore ein Stückchen öffnen und etwas mehr aus dem Reservoir abfließen lassen. Wenn ihr mich fragt: Ich finde, Teddy könnte seinen Job ruhig ein bisschen ernster nehmen. Die Herde ausdünnen. Etwas Normalität zurück auf den Planeten bringen, damit wir alle ein wenig verschnaufen können. Damit man vielleicht mal zur Abwechslung Bali, Tahiti oder Disney World besuchen kann. Einmal mit der Space-Mountain-Achterbahn fahren, das wollte ich schon immer.
    Ja, ich könnte um eine Versetzung bitten, aber bei meinem Glück würde ich bestimmt als
Demut
oder
Fleiß
enden. Und außerdem: Ich bin seit so langer Zeit
Schicksal,
dass ich womöglich gar nicht wüsste, was ich als jemand anderes tun sollte. Wahrscheinlich ist es ganz einfach mein Schicksal,
Schicksal
zu sein.
    Als ich schließlich wieder in meine Sachen schlüpfe, haben der Verwalter und die neue Mieterin die Dachterrasse verlassen, und ich bin allein. Nachdem
Bestimmung
mich eben noch in der Mangel hatte, ist mir jetzt nicht danach, allein zu sein. Vielleicht sollte ich nachschauen, was
Schmeichelei
gerade macht. Oder
Lüsternheit
anrufen. Aber bevor ich ihre Nummer eintippen kann, klingelt mein Handy, und ich werde zu einem Meeting mit Jerry abberufen.

3
    J errys Empfangsbereich ist immer gerammelt voll mit Seelen, die den Übergang vom Irdischen zum Himmlischen vollziehen. Ganz zu schweigen von denen, die diese Reise eben
nicht
antreten werden, aber einen Termin haben, um ihren Fall ein letztes Mal vorzutragen. Die meisten von ihnen bekommen keine zweite Chance, doch dann und wann zeigt Jerry sich von seiner versöhnlichen Seite und lässt einen von ihnen vor.
    Heute ist es nicht anders, wobei
heute
nur ein beliebiger Ausdruck ist. Uhrzeit und Datum haben hier keine Bedeutung. Einmal habe ich eine gefühlte Stunde in Jerrys Warteraum gesessen, nur um bei meiner Rückkehr zur Erde festzustellen, dass ich den gesamten Dritten Punischen Krieg verpasst hatte.
    Damals in der Antike war die Bevölkerungsdichte natürlich noch überschaubar, und deswegen musste man sich gar nicht allzu sehr beeilen, um zur Erde zurückzukehren. Jetzt aber, mit meinem überfüllten Terminkalender, sollte ich die Sache am besten in wenigen Minuten über die Bühne bringen.
    Das Problem ist: Ich sitze hier im Wartesaal zwischen all diesen menschlichen Seelen, von denen die meisten das Schicksal hierherbefördert hat – und das bin ja bekanntlich ich. Sobald die Menschen die Beschränkung ihrer fleischlichen Hülle abgelegt haben, offenbaren sich ihnen die Mysterien des Universums: das Konzept vom Leben nach dem Tod, die Erschaffung des menschlichen Lebens, die Steuerung des Kosmos. Und sie können mich jetzt als das, was ich bin, erkennen.
    »Du bist also
Schicksal
«, sagt die Seele einer zweiundvierzigjährigen Frau, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist.
    Ich ignoriere sie und versuche, jeden Augenkontakt zu vermeiden.
    »Ich wollte dir nur für die Übelkeit und das Erbrechen danken, für den Gewichtsverlust, die Gelbfärbung meiner Haut, die Chemotherapie und meinen langsamen, qualvollen Tod.«
    Mit so etwas muss ich mich jedes Mal herumschlagen, wenn ich hierherkomme. Wütende Seelen, die ihren Frust an mir auslassen. Als wären die meisten vollkommen unschuldig an dem Ende, das es mit ihnen genommen hat.
    Kettenrauchen.
    Eine ausgewogene Ernährungsweise: besonders reich an tierischen Fetten und möglichst arm an Früchten und Gemüse.
    Ein Leben lang lieber auf dem Arsch herumsitzen und sich den Sportkanal und Realityshows reinziehen, statt sich selbst regelmäßig zu bewegen und Herz und Kreislauf in Schwung zu halten.
    Ich hasse es, hier zu sein. Wirklich.
    »Hey«, sagt sie und pikst mich in den Arm. »Ich rede mit dir.«
    Und schon sind einige der anderen Seelen in unserer Nähe auf uns aufmerksam geworden.
    »Was ist los?«, fragt ein vierzehnjähriger Junge, der von einem Betrunkenen überfahren wurde.
    Die Frau, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist, deutet mit dem Daumen auf mich: »Dieser Typ ist der Grund dafür, dass wir hier sind. Oder zumindest die meisten von uns.«
    »Heilige Scheiße«, meint ein
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