Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Treffens mit Jonas zu bedeuten hatte.
Jonas Hoffmann. Ausgerechnet der! Aber er hatte sich – z umindest auf den zweiten Blick – als durchaus umgänglich und offen herausgestellt.
Dennoch wusste Vanessa nicht, was sie von diesem Abend erwarten sollte. Schon alleine die Wahl ihrer Kleidung war eine Herausforderung. Wie wollte sie auf ihn wirken? Er war charmant, anziehend und einnehmend, warum sollten sie und ihr Körper nicht signalisieren, dass sie einer intimeren B egegnung gegenüber aufgeschlossen war?
Als Vanessa vor dem Kleiderschrank stand und ihre Mö glichkeiten abwog, wurde ihr etwas klar: Jonas war ein Typ Mann, mit dem jede Frau – ganz gleich ob Jungfrau oder Hure – sofort ins Bett gehen würde. Vanessa war zwar beides nicht, aber das machte keinen Unterschied. Verfallen würde sie ihm ohnehin – ob sie nun wollte oder nicht.
Schließlich entschied sie sich für Unterwäsche, die vorzei gbar war, aber nicht vermuten ließ, dass sie es womöglich darauf angelegt hatte, mit ihm im Bett zu landen. Darüber zog sie eine schwarze Jeans und Pumps sowie ein graues Trägertop. Da der milde Sommertag in einen kühlen Abend übergegangen war, entschied sie sich zusätzlich für ihre braune, leicht abgewetzte Lederjacke, die seit fast zwei Jahren ihre treue Begleiterin zu jeder Gelegenheit war.
Als sie Jonas auf der Reeperbahn vor dem Tattoo-Laden st ehen sah, musste sie sich an einer Litfaßsäule festhalten, damit ihre schlagartig weich gewordenen Beine nicht nachgaben. Faszinierende Männlichkeit schwappte zu ihr hinüber, dominant und attraktiv zugleich. Seine großen Augen strahlten sie aus der Entfernung an, auf seinen vollen Lippen lag ein verführerisches Lächeln. Sein dunkelblondes Haar, das ihm bis in den Nacken und bis über die Augen reichte, ließ ihn verwegen aussehen. Seine ausgeprägten Wangenknochen verliehen ihm etwas Reales, ebenso wie seine helle Haut.
Vanessa kannte sich so gar nicht. Sie geriet sonst nicht schnell ins Schwärmen. Selbst wenn Jonas‘ Interesse an ihr nur von kurzer Dauer und eine erste gemeins ame Nacht auch die letzte sein sollte, ihn für einige Stunden ansehen zu dürfen, war es die Sache wert, dachte sie benommen. Die Scham, die Enttäuschung und der innere Schmerz, was alles unausweichlich einer solchen Nacht folgen würde, musste sie dann eben akzeptieren.
»Da bist du ja«, begrüßte Jonas sie, während er auf sie z ukam. Obwohl er nur einen halben Kopf größer war als sie, kam es ihr vor, als müsse sie den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Instinktiv wich Vanessa einen Schritt zurück und spürte plötzlich, wie sie nach hinten fiel. Sie streckte die Arme aus, um sich festzuhalten, und griff nach Jonas‘ Arm, den er ihr helfend reichte. Die prickelnde Überraschung seiner unplanmäßigen Berührung vermengte sich mit einem nassen Gefühl an ihrem Fuß.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Jonas besorgt. Erst jetzt realisierte Vanessa, dass sie bei ihrem seltsamen Au sweichmanöver einen Kantstein übersehen und in eine Pfütze getreten war. Erschrocken sah sie an sich hinunter. Ihr schwarzer Absatzschuh war hinüber. Dabei war ihr bislang nicht einmal aufgefallen, dass es an diesem Tag geregnet hatte. »Nichts passiert. Lass uns gehen, ich habe Wasser im Schuh.«
Das Restaurant lag etwas abseits der Reeperbahn, und zu Vanessas Überraschung hatte Jonas sogar einen Tisch reserviert. Obwohl der Laden ausgebucht war, lag eine ruhige und intime Atmosphäre in der Luft. Vanessa war die beinahe romantische Stimmung – Kerzenschein und rote Rosen auf einer weißen Spitzentischdecke – etwas unangenehm, und sie fühlte sich nicht wohl. Zurückhaltend sah sie sich im Restaurant um. Früher war sie oft mit Lennart hier gewesen.
»Du bist also eine richtige Rockerbraut?«, fragte Jonas schließlich, während sie auf ihr Essen warteten. Nervös schüttelte Vanessa unter dem Tisch ihren nassen Fuß. I mmerhin tropfte er nicht mehr, doch das feucht-warme und klamme Gefühl ließ sich einfach nicht abschütteln.
»Wie kommst du darauf?«
»Der Tattoo-Laden, die Lederjacke …«
Im Gegensatz zu vielen anderen Gästen im Restaurant hatte Vanessa ihre Jacke nicht an die Garderobe gehängt, so ndern leger über die Stuhllehne gelegt.
»Immerhin hältst du mich nicht für eine Prostituierte.«
»Warum sollte ich das glauben?«
Vanessa spürte, wie die Verlegenheit in ihr wuchs. Das G espräch lief in eine Richtung, die ihr unangenehm
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