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Schenkel, Andrea M

Schenkel, Andrea M

Titel: Schenkel, Andrea M
Autoren: Bunker
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Vogelgezwitscher. Ich sitze da, atme, werde ruhiger, nichts passiert.
    Bin ich alleine? Mit dem Kopf wetze ich gegen das Auto, schiebe die Augenbinde weiter nach oben. Die Binde löst sich, fällt herunter. Ich öffne die Augen, so weit das mit einem lädierten Auge geht, sehe die gezackten Baumwipfel, die sich leicht hin und her bewegen, dazwischen Lichtstrahlen der untergehenden Sonne. Sitze da, an das Auto gelehnt, es ist warm, mein Körper entspannt sich. Von dem Kerl ist nichts zu sehen, ich bin allein.
    Wie durch ein Wunder halte ich das kleine Taschenmesser noch immer in meiner Hand. Ich habe es bei meinem Sturz nicht fallen lassen, hielt es fest in meiner Faust. Die ganze Fahrt über hatte ich versucht, es zu öffnen. Es ist mir nicht gelungen. Jetzt sitze ich hier mit dem Rücken zum Wagen und versuche es wieder. Und jetzt klappt es, ich kann das Messer öffnen. Ein kleines Stück, noch ein kleines Stück. Es springt mir aus der Hand, fällt zu Boden. Verdammter Mist! Ich suche den Boden mit den Fingern ab. Ich kann es nicht finden, ertaste eine zerquetschte Konservendose. Mit den Fesseln reibe ich gegen den scharfen Rand des Deckels. Rutsche ab, zerkratze mir die Handgelenke, aber das ist jetzt egal. Verzweifelt ziehe ich an den Fesseln, zerre daran. Bis die Leine reißt und meine Hände frei sind. Ich schüttle sie aus, reibe meine schmerzenden Gelenke. Alles um mich herum bleibt ruhig. Vorsichtig sehe ich mich um. Wald, Waldweg, das Auto.
    Ich stehe langsam auf. Ich bin allein. Ich bin frei. Ich kann weg. Ich umrunde das Auto, auf jeden Schritt achtend. Vielleicht steckt der Schlüssel? Ich drücke den Riegel am Türgriff, langsam, bis die Fahrertür sich mit einem lauten Klacken öffnet. Mist! Ich bleibe kurz stehen, ziehe die Luft durch die Zähne ein und schaue mich in alle Richtungen um. Gott sei Dank, noch immer kein Mensch weit und breit. Ich öffne die Fahrertür ganz, beuge mich vor, in den Wagen. Wo ist das Zündschloss? Durch das Lenkrad verdeckt. Mit der Hand greife ich durch den Lenkradkranz, taste das Zündschloss ab, spüre den länglichen Schlitz.
    Verdammt, kein Schlüssel.
    In diesem Moment höre ich ein Knacken hinter mir. Halb über das Lenkrad gebeugt, starre ich vor mich hin, wage mich nicht zu bewegen. Im Nacken spüre ich Schweiß, der die Wirbelsäule hinabrinnt. Ich sitze weiter in der Falle, vermutlich steht der Kerl hinter mir.
    Langsam richte ich mich auf, ziehe den Kopf beim Aussteigen ein, gehe einen Schritt rückwärts, sehe mich vorsichtig um. Nichts! Nur das Summen von Insekten, Vogelgezwitscher, kein Mensch.
    Ich muss von hier weg. Den Waldweg entlang, auf dem er mich mit dem Fiesta gebracht hat? Den wird er bestimmt zuerst absuchen, mit dem Auto hat er mich gleich. Das bringt nichts! Ich muss quer durch den Wald. Eine Straße oder ein Haus finden.
    Wo ist der Typ hin? Ist egal. Bloß weg von hier, ehe er wieder auftaucht. Ich zwänge mich durch Brombeerbüsche und Gestrüpp immer weiter in den Wald hinein. Laufe, stolpere, springe. Ich hab keine Ahnung wohin, einfach nur laufen, weglaufen. Durch die Bäume hindurch sehe ich einen Weg, fast zugewachsen. Meine Bluse bleibt in den Dornen hängen. Ich falle über eine Wurzel, zerreiße meine Strumpfhose, rapple mich wieder auf, wische den Dreck von meinen Knien und laufe weiter. Sehe mich immer wieder um. Keiner folgt mir. Der Weg führt an einem ausgetrockneten Teich entlang. An seiner schmalen Seite ein großes schwarzes Holzhaus. Ich überquere eine über einem sumpfigen Bach liegende Holztür. Sie wackelt beim Darübergehen. Ich gehe zum Haus, die rostige Eisentür ist einen Spalt offen. Ich zwänge mich hindurch und bleibe gleich hinter der Tür stehen.
    Das Licht der untergehenden Sonne fällt durch den Türspalt in den Raum. Leuchtet golden einen schmalen Streifen Boden und Seitenwand aus. Der Rest liegt im Halbdunkel. Ich stehe da, warte. Meine Augen brauchen Zeit, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Langsam fange ich an etwas zu erkennen. Vor mir ein großer fensterloser Raum, geteilt durch einen schmalen gemauerten Sims. Mein Blick wandert über den ins Dunkle führenden Mauervorsprung zur gegenüberliegenden Wand. Auf der anderen Seite eine geschlossene Tür. Rechts neben der Tür eine Holzleiter. Die obersten Sprossen der Leiter ragen aus einem nach oben offenen Kellergeschoss. Ich beuge mich vor, sehe hinunter. Blicke auf große Kisten, dicke Rohre ziehen sich bis zur Decke. Alles steht durcheinander,
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