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Schenkel, Andrea M

Schenkel, Andrea M

Titel: Schenkel, Andrea M
Autoren: Bunker
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ihn an mich heran. Zentimeter für Zentimeter. Der Stoff rutscht mir wieder durch die Finger. Scheiße! Ich versuche es wieder. Einmal, zweimal. In der Tasche ist das Taschenmesser. Ich schaffe es, mit den Fingern in die Tasche zu fassen. Spüre den kalten metallenen Gegenstand. Ich muss das Messer aus der Tasche herausschütteln. Irgendwie muss ich das verdammte Messer aus der Tasche herausschütteln. Ich habe keine Ahnung, wie ich das schaffen soll, aber ich probiere es. Immer wieder, immer wieder. Bis ich es schaffe, das Messer zwischen Zeige- und Mittelfinger einzuklemmen. Ziehe es langsam aus der Tasche heraus. An der Stoffkante der Manteltasche bleibe ich hängen, presse Zeige- und Mittelfinger fester um die Griffschale des Messers. Durch den Druck rutscht es mir wieder aus den Fingern, gleitet zurück in die Manteltasche. Verdammte Scheiße!
    Ich höre Geräusche, Schritte, näher, ganz nah. Ich schließe meine Augen, stelle mich schlafend. Er steht direkt vor mir. Ich brauche die Augen nicht aufzumachen, ich weiß, dass er vor mir steht. Ein Schuh bohrt sich unter mein Gesicht, dreht meinen Kopf mit einem Ruck aus der Seitenlage nach oben. Mein Herz pocht. Mein Atem bleibt ruhig. Ich öffne langsam mein rechtes Auge. Ich versuche ihn anzusehen. Die Beleuchtung kommt von hinten, so sehe ich nur seine Umrisse. Sein Körper wirkt massig. Er hat sehr kurzes Haar. Hab ich ihn schon mal gesehen? Kommt er mir bekannt vor? Ein Kunde? Verdammt, ich komme nicht darauf.
    »Den Schlüssel!«
    Einsatzwagen der Feuerwehr und Polizei, laufende Motoren, Blaulicht, Lärm, der schmale Waldweg ist durch die Fahrzeuge zugeparkt. Ein Fahrzeug steht hinter dem anderen, kein Durchkommen.
    Der Wald ist in unruhiges Licht gehüllt.
    Vor der Mühle lärmend der Kompressor, dicke Kabel führen hinüber zum Haus. Vor der metallenen Eingangstür wurden zwei große Scheinwerfer aufgebaut. Sie beleuchten den Eingang zur Mühle. Unnatürliches grelles Licht, die ganze Szenerie ist unwirklich, wie auf einer Theaterbühne. Hell erleuchtet auch der Platz vor dem Gebäude. Die alte Holztür über dem dunkel glänzenden Morast, die Büsche entlang des Weges werfen harte Schatten.
    In aller Frühe bin ich aufgestanden, habe meine Sachen zusammengepackt und bin losgefahren. Außer mir ist noch niemand unterwegs. Im Autoradio berichtet der Nachrichtensprecher von Randale und Schlägereien zwischen Neonazis und der Polizei vor einem Ausländerwohnheim in Hoyerswerda. Ich schalte das Gerät aus.
    Über dem Wald hängt Nebel. Es ist früher Morgen, die Nebelschwaden beginnen sich aufzulösen, reißen auseinander, bis sie schließlich ganz verschwinden. Der Boden ist noch feucht vom Tau. Die Luft riecht erdig, nass. Ich mag diesen Geruch. Ich habe das Fenster ein Stück heruntergekurbelt, spüre den Fahrtwind, rieche den Wald.
    Die Kiefern stehen bis dicht an den Straßenrand gedrängt. Die Straße teilt den Wald, schneidet ihn auseinander. Der Asphalt ist an vielen Stellen noch nass, die Straße ist dunkel, fast schwarz.
    Kurz vor der starken Rechtskurve nehme ich den Fuß vom Gas und biege mit reduzierter Geschwindigkeit nach links in den Feldweg ab. Die Stelle ist nur schwer zu finden. Ich fahre weiter den unbefestigten Weg entlang. Verringere die Geschwindigkeit noch mal. Fahre nun fast Schritttempo weiter über Schotter, weiche den Schlaglöchern aus, die der letzte Regen ausgespült hat. Der Weg wird immer enger, die Fahrbahn holpriger. Tiefe Rillen haben sich in den Boden gegraben, der Weg hebt sich zur Mitte hin an. Ich umfahre große Steine, um nicht mit dem Auto aufzusetzen. Je weiter der Weg in den Wald führt, umso stärker wachsen Gestrüpp und Büsche in die Fahrrinne. Die Zweige streifen am Fahrzeug entlang. Ich lasse den Wagen nur noch ganz langsam vorwärtsrollen. Vor der großen Fichtenwurzel bleibe ich stehen. Der Weg ist jetzt für einen Pkw ganz und gar unpassierbar.
    Ich stelle den Motor ab, steige aus dem Auto und gehe zur Heckklappe. Der verdammte Kofferraum lässt sich wieder nicht öffnen. Durch die Erschütterungen auf der unbefestigten Straße hat sich das alte Chassis verkantet. Ich schlage mit der flachen Hand dagegen. Es bringt nichts. Ich brauche ein Werkzeug, um das Schloss aufzuhebeln. Im Wagen liegt ein Schraubenzieher, ich hole ihn aus dem Handschuhfach. Ich drücke den Schraubenzieher unter das Heckschloss des Kofferraumdeckels. Das Schloss springt auf.
    Aus dem geöffneten Kofferraum nehme ich die Plastiktüten und
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