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Scheidung auf Griechisch

Scheidung auf Griechisch

Titel: Scheidung auf Griechisch
Autoren: Michelle Reid
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nicht übertrieben eng geschnitten war und erst kurz über dem Knie endete. Die eng anliegende Jacke war hochgeschlossen, und darunter verbarg sich eine fast altmodische cremefarbene Bluse, die sie bis oben zugeknöpft hatte. Das Haar hatte sie sorgfältig gekämmt und mit einem Schildpattkamm hochgesteckt. Darüber hinaus war sie sehr dezent geschminkt, denn ihr Make-up beschränkte sich auf einen unauffälligen Lippenstift, einen Hauch Lidschatten und einen kaum merklichen Strich Mascara.
    Alles in allem sah sie geradezu züchtig aus – jedenfalls für ihre Verhältnisse, musste sie einschränken, als sie das trotzige Funkeln in ihren großen grünen Augen bemerkte.
    “Dein Aufzug ist die reine Provokation”, erwiderte ihre Mutter. “Der arme Kerl wird Höllenqualen leiden, wenn du ihm so gegenübertrittst. Das Kostüm ist so eng, dass selbst ein Blinder …”
    “Für meine Figur kann ich nichts”, fiel Isobel ihr ins Wort. “Die habe ich genauso von dir geerbt wie die Farbe der Haare und der Augen.”
    “Vergiss den Trotzkopf nicht”, ergänzte Silvia. “Du bist offenbar wild entschlossen, ihn nachträglich dafür zu bestrafen, dass er dich damals …”
    “Er mich?” Isobel warf ihrer Mutter einen strafenden Blick zu. “Vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass ich mich von ihm getrennt habe.”
    “Vielleicht darf ich dich daran erinnern, wie inständig du gehofft hast, dass er kommt und dich zurückholt.”
    Schön, dass du mir das ausgerechnet jetzt unter die Nase reibst, dachte Isobel. “Ich muss jetzt los”, sagte sie stattdessen und suchte nach ihrer Handtasche.
    “Willst du das Ganze nicht lieber dem Anwalt überlassen?”, fragte Silvia besorgt.
    “Fang bitte nicht schon wieder damit an”, bat Isobel inständig. Sie hatten schon unzählige Male darüber gesprochen, und allmählich war sie die Ermahnungen und Belehrungen ihrer Mutter leid.
    “Dass ihr euch scheiden lasst, wird sicher höchste Zeit”, erklärte ihre Mutter trotzdem und versuchte mühsam, sich aufzurichten. “Aber ich verstehe nicht, warum du so darauf versessen bist, die Details selbst zu klären. Und wenn ich sehe, wie du angezogen bist, wird mir angst und bange.”
    Trotz der Krücken, auf die sie sich jetzt stützte, kostete es sie größte Anstrengung, sich aufrecht zu halten. “Setz dich bitte wieder”, bat Isobel und stellte ihr einen Stuhl hin. “Du sollst dich doch nicht überanstrengen.”
    “Ich setze mich erst, wenn du dich nicht mehr wie ein bockiges kleines Kind benimmst”, erwiderte Silvia bestimmt.
    “Wer benimmt sich hier denn wie ein bockiges kleines Kind?” Auch wenn die Situation eigentlich zu ernst war, musste Isobel unwillkürlich lachen.
    Um zu wissen, woher sie ihren Dickkopf hatte, brauchte sie nur ihre Mutter anzublicken. Von ihr hatte sie neben ihrem Aussehen vor allem die Entschlossenheit und den unbeugsamen Willen geerbt.
    Vor allem Letzterer wurde seit Silvias schwerem Autounfall vor zwei Jahren auf eine harte Probe gestellt. Die Heilung ging nur schleppend voran, und die Verletzungen an der Wirbelsäule waren so schwer, dass Silvia auf unabsehbare Zeit auf den Rollstuhl angewiesen sein würde. Glücklicherweise war ihr Lebensmut ungebrochen, und so gab sie die Hoffnung nicht auf, eines Tages wieder völlig zu genesen. Manchmal übertrieb sie es jedoch derart, dass sie sich in Gefahr brachte. Erst vor wenigen Wochen war sie schwer gestürzt. Zum Glück hatte sie sich bis auf einige blaue Flecken nichts getan.
    Isobel hatte sich trotzdem schwerste Vorwürfe gemacht, weil sie ihre Mutter an jenem Tag allein gelassen hatte, um den Auftrag einer Illustrierten zu erledigen. Seitdem wagte sie es nicht, ihre Mutter länger als einige Stunden allein zu lassen.
    Der Brief von Leandros’ Anwalt hatte sie deshalb vor ein schier unlösbares Problem gestellt. Schließlich war sie auf die Idee gekommen, Silvia nach Athen mitzunehmen. Das war zwar nicht der Weisheit letzter Schluss, aber immer noch besser, als vor Sorge um sie zu vergehen.
    Zu ihrer Überraschung zeigte sich ihre Mutter einsichtig und nahm auf dem Stuhl Platz. Sie war sichtlich erschöpft.
    “Natürlich verfolge ich mit meiner Kleidung eine bestimmte Absicht”, räumte Isobel ein und nahm ihrer Mutter die Krücken ab. “Aber es geht mir nicht darum, dass Leandros seinen Schritt bereut”, fügte sie hinzu, ehe sie in die Hocke ging und Silvias Hand umfasste.
    “Ich konnte ihm einfach nichts recht machen”, erklärte sie
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