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Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische

Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische

Titel: Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische
Autoren: Terry Pratchett
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aber wirklich von Bedeutung waren sie nicht. Es gab interessante neue Getränke, und das Essen machte Spaß, aber fremde Gegenden besuchte man, um zu tun, was eben getan werden musste, und dann kam man wieder hierher zurück, an einen Ort, der real war. Nanny Ogg liebte es klein und beschaulich.
    Natürlich, überlegte sie, als sie über den Rasen ging, hatte sie nicht diese Aussicht vor dem Fenster. Nanny lebte unten im Ort, aber Oma konnte über den Wald und die Ebenen bis zum weiten runden Horizont der Scheibenwelt sehen.
    Eine derartige Aussicht, überlegte sich Nanny, konnte einem wahrscheinlich den Verstand direkt aus dem Kopf saugen.
    Man hatte ihr gesagt, dass die Welt rund und flach war, was dem gesunden Menschenverstand entsprach, und auf dem Rücken von vier Elefanten durch das All zog, die auf dem Rücken einer Schildkröte standen, was nicht unbedingt einen Sinn ergeben musste. Das alles passierte DA DRAUSSEN irgendwo, und so konnte es mit Nannys Segen und ausgesprochener Interesselosigkeit auch bleiben, solange sie in einer persönlichen Welt mit einem Durchmesser von rund zehn Meilen leben konnte, die sie mit sich herumschleppte.
    Aber Esme Wetterwachs brauchte mehr, als dieses kleine Königreich fassen konnte. Sie war die andere Art Hexe.
    Und Nanny sah es als ihre Aufgabe an, zu verhindern, dass sich Oma Wetterwachs langweilte. Die Sache mit den Äpfeln war ziemlich unbedeutend, ein garstiger kleiner Triumph, wenn man es recht überlegte, aber Esme brauchte etwas, um jeden Tag lebenswert zu machen, und wenn es Zorn und Eifersucht sein mussten, dann sollten sie es eben sein. Oma würde nun etwas aushecken, um sich einen kleinen Sieg zu verschaffen, eine kleine Demütigung, von der nur sie beide je erfahren würden, und damit war der Fall erledigt. Nanny war überzeugt, dass sie mit ihrer Freundin zurechtkommen konnte, wenn sie übellaunig war, aber nicht, wenn sie sich langweilte. Eine Hexe, die sich langweilt, ist zu allem fähig.
    Die Leute sagten Sachen wie >damals mussten wir selbst für unsere Unterhaltung sorgen<, als würde das einen gewissen moralischen Wert vermitteln, was vielleicht sogar zutraf, aber man wollte auf keinen Fall, dass sich eine Hexe langweilte und anfing, für ihre eigene Unterhaltung zu sorgen, denn Hexen hatten manchmal äußerst exzentrische Vorstellungen davon, was unterhaltsam war. Und Esme war zweifellos die mächtigste Hexe, die die Berge seit Generationen gesehen hatten.
    Nun stand der Wettstreit bevor, und der sorgte stets dafür, dass es Esme Wetterwachs ein paar Wochen lang gutging. Sie sprach auf Wettbewerbe an wie Forellen auf Fliegen.
    Nanny Ogg freute sich immer auf den Hexenwettstreit. Man verbrachte einen schönen Tag draußen, und dann war da natürlich das große Freudenfeuer. Wer hätte je von einem Hexenwettstreit ohne ein anschließendes schönes Freudenfeuer gehört? Und hinterher konnte man Kartoffeln in der Asche rösten.
    Der Nachmittag zerschmolz zum Abend, die Schatten in Ecken und unter Hockern und Tischen krochen hervor und wuchsen zusammen.
    Oma wippte leicht mit ihrem Stuhl, während sich die Dunkelheit um sie legte. Ihr Gesichtsausdruck war zutiefst konzentriert.
    Die Scheite im Kamin zerfielen zu Glut, die nach und nach erlosch.
    Die Nacht wurde schwärzer.
    Die alte Uhr auf dem Kaminsims tickte, und eine ganze Zeitlang war kein anderes Geräusch zu hören.
    Dann ertönte ein leises Rascheln. Die Papiertüte auf dem Tisch bewegte sich und wurde zusammengeknüllt wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht. Langsam stieg ein deutlicher Fäulnisgeruch in die Luft.
    Nach einer Weile kam die erste Made herausgekrochen.
    Nanny Ogg war zu Hause und schenkte sich gerade ein Glas Bier ein, als es klopfte. Sie stellte den Krug seufzend beiseite und ging die Tür aufmachen.
    »Oh, hallo, meine Damen. Was treibt ihr in dieser Gegend? Und obendrein an einem so kühlen Abend?«
    Nanny ging ins Zimmer zurück, gefolgt von drei weiteren Hexen. Sie trugen die schwarzen Mäntel und spitzen Hüte, die traditionsgemäß mit ihrem Beruf in Verbindung gebracht werden, in diesem Fall aber dazu dienten, dass jede anders aussah. Mit nichts kann man seine Individualität besser zum Ausdruck bringen, als mit einer Uniform. Einmal hier gezupft und einmal da gekniffen, das schafft kleine Einzelheiten, die in scheinbarer, nun, Uniformität um so augenfälliger sind.
    Der Hut von Gammer Beavis beispielsweise hatte eine sehr flache Krempe und eine Spitze, mit der man sich
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