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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten
Autoren: Craig Shaw Gardner
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noch erwarten kann, Euch meine Jungfräulichkeit hinzugeben?«
    »Ein Schwert?« erwiderte der König mit einer Stimme, die ausgesprochen seltsam klang. »Ein Schwert ist doch so etwas Ähnliches wie eine Lanze, oder? Und was habe ich über Lanzen gesagt?«
    »Ich sprach von meiner bald nicht mehr vorhandenen Jungfräulichkeit und davon, daß Ihr mich vernaschen wolltet«, erinnerte ihn Scheherazade sanft.
    »Was?« meinte der König. Er erweckte den Eindruck, als erwache er aus einer tiefen Trance. »Oh, ja. Aber sicher. Jungfräulichkeit. Und vernaschen. Ja, in der Tat.«
    »Gibt es da etwa ein Problem, über das ich Bescheid wissen sollte?« fragte die neue Königin mit honigsüßer Stimme.
    »Nein, nichts Besonderes«, antwortete der König. Er war erstaunt darüber, daß eine Frau, deren Leben an einem seidenen Faden hing, sich so besorgt um sein Wohlergehen zeigte. Und so kam es, daß er sich dabei ertappte, wie er ihr Gedanken mitteilte, die er noch nie zuvor mit jemandem geteilt hatte: »Nun«, begann er, »du hast gewiß von meinen vielen Vermählungen, meinen vielen Stelldicheins und was weiß ich noch allem gehört. Und ich bin mir sicher, daß das Gerücht umgeht, daß ich all diese Frauen zuerst vernascht und dann geköpft habe.« Er hielt inne, um einen schweren Seufzer auszustoßen. »Um die Wahrheit zu sagen, nur ein Teil davon trifft zu. Einige meiner Ehen und Stelldicheins sind nicht ganz so verlaufen wie geplant. Ja, ja, und sehr oft hat das Vernaschen auch nicht lange genug gedauert, um die erhofften Früchte zu tragen. Ach«, und an dieser Stelle unterbrach er sich erneut, um einen Seufzer auszustoßen, »nur die Köpfungen scheinen ein voller Erfolg gewesen zu sein.«
     »Das ist die traurigste Geschichte, die ich je gehört habe«, bedauerte Scheherazade ihn, während sie die Schärpe, die ihr Gewand zusammenhielt, löste. »Aber vielleicht bessert es Eure Stimmung, wenn Ihr mich nun vernascht.«
    »Vernaschen?« Auch der König begann sich seiner Kleider zu entledigen. »Nun, ja. Jetzt, wo du es erwähnst, denke ich auch, daß die Dinge hier im Palast um einiges besser stehen könnten.« Er fingerte an seinen Gewändern herum, die sich anscheinend in seiner Schwertscheide verfangen hatten. »Es sieht ganz so aus, als wäre ich ein wenig aus der Übung.«
    »Vielleicht«, schlug Scheherazade mit sanfter Stimme vor, »würde es besser gehen, wenn Ihr zuerst Euer Schwert abschnallt?«
    »Mein – Schwert?« stotterte der König. »Du meinst nicht etwa meine Lanze? Und wie sieht es mit Kissen aus? Mit Reiten? Mit Siegelringen?«
    Er befreite die Scheide aus seinen Gewändern, nur um gleichzeitig sein Schwert zu ziehen. »Dieses ganze Gerede vom Vernaschen hätte mich beinahe betört! Ha! Als ob ich mit offenen Augen einen Dämon vernaschen wollte!« Und damit hob er sein Schwert, um es auf Scheherazade niedersausen zu lassen.
    Und so war also jener schreckliche Moment gekommen, auf den die junge Königin sich vorbereitet hatte. »Haltet ein, o mächtiger König!« rief Scheherazade daher in ihrem mitleiderregendsten Tonfall, wobei sie sorgsam darauf bedacht war, daß ihre Worte von einem ausreichenden Tränenfluß begleitet wurden. »Wenn Ihr mich denn tatsächlich töten müßt, dann erbitte ich eine letzte Gnade von Euch.«
    Und der König, der von ihren Tränen sehr gerührt war, zögerte und hielt in der Vollstreckung seines grausamen Urteils inne. »Nun, ja«, meinte er, »bevor du von Schwertern geredet hast, hast du tatsächlich großes Mitgefühl für meine Probleme gezeigt. Daher werde ich mir deinen letzten Wunsch anhören, bevor ich deinem Leben ein Ende setze. Doch ich warne dich, wenn du auch nur einmal etwas von Kissen und Siegelringen erwähnst, wird mein Schwert dich sofort niederstrecken!«
    »Wie Ihr es wünscht, o Herr über mein Schicksal«, erwiderte Scheherazade und wählte ihre nächsten Worte sehr sorgfältig, um die Gedanken des Königs nur ja nicht noch einmal auf jene Dinge zu lenken, die seinen Schwertarm führten. »Ich habe nur einen einzigen letzten Wunsch. Bevor ich sterbe, würde ich gerne noch einmal meine Schwester Dunyazad sehen.«
    Als er das hörte, legte der König die Stirn in Falten. »Nun, das scheint mir keine unverschämte Bitte zu sein, allerdings könnte es eine Weile dauern, bis ich deine geliebte Schwester habe kommen lassen.«
    »Aber ganz im Gegenteil, mein König. Sie kann in Windeseile hier sein.« Woraufhin Scheherazade laut den Namen ihrer
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