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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition)
Autoren: Dr. Michael Römling
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sie vom
Erdboden verschwunden sein. Die Situation ist ja nicht gerade
übersichtlich.«
    »Da fahren sie uns doch direkt in die Arme!«
    »Dazu ist Sommerbier viel zu schlau. Er scheint genau zu
wissen, was er tut. Aber dass wir hinter ihm her sind, das weiß
er nicht. Unser Mann bleibt dran.«
    Sirinow wandte sich wieder der Musik zu. »Ich will sofort
Meldung, wenn Sie neue Informationen haben.«
    Tarassow nickte. Im Esszimmer nebenan wurde eine Tür
aufgerissen und ein paar Soldaten mit einer Wodkaflasche stolperten
ins Blickfeld.
    »Und mach die Tür zu. Ich will das hier hören.«
    Tarassow schloss die sperrangelweit offen stehende Tür,
dann stockte er. Hinter der Tür hing ein Hitlerbild an der
Wand.
    Sirinow starrte einen Augenblick ungläubig auf das Porträt.
»Siehst du?«, sagte er. »Schon wieder so eine Absurdität. Hitler
und Beethoven in einem Haus.«
    Sein Adjutant schaute nachdenklich auf das Bild des Diktators
mit den stechenden Augen, dann drehte er sich zum
Oberst um. »Hat der nicht heute sogar Geburtstag?«
    Sirinow nickte. »Glückwunsch auch von uns. Und jetzt
schaff ihn mir aus den Augen.«

Als Leo wieder zu sich kam, war es totenstill auf dem Dachboden.
In seinen Ohren piepste und rauschte es, weit entfernt
hörte er Motorengeräusche, ansonsten regte sich nichts. Leo
lag auf der Seite. Alles tat weh, sein ganzer Körper war ein einziger
anhaltender Schmerz, der ihn durchstrahlte, als stünden
seine Knochen unter Strom.
    Leo öffnete die Augen, und als Erstes fiel ihm auf, dass es
ungewöhnlich hell war. Eine Sekunde später begriff er, warum:
Eine Bombe hatte direkt neben dem Giebel das Dach aufgerissen
und dabei auch gleich einen Krater in den Boden gesprengt.
Wo vorher die Sandkiste gestanden hatte, klaffte jetzt
ein Loch, durch das man oben den Abendhimmel und unten
die Tapete von Wilhelms Wohnzimmer sehen konnte. Zersplittertes
Gebälk spreizte sich in alle Richtungen, zerborstene
Dachlatten und Ziegel lagen herum. Es schien, als hätte ein
hungriger Riese eine Ecke aus dem Haus herausgebissen.
    Leo rappelte sich hoch und blickte an sich herunter. Zwischen
seinen Zähnen knirschte Sand. Seine Kleider und Hände
waren mit einer grauen Staubschicht bedeckt, aber außer dem
dumpfen Schmerz, aus dem sein ganzer Körper zu bestehen
schien, fehlte ihm anscheinend nichts.
    Doch wo war Wilhelm? Der Unterstand mit dem Stahldach,
aus dem die Druckwelle der Explosion sie offenbar herausgeschleudert
hatte, war bis auf ein paar halb geborstene
Stützbalken ganz geblieben. Leo erinnerte sich, dass Wilhelm
ihn zu Boden gerissen hatte. Und dann? Leo schaute auf das
Loch und erschrak. War Wilhelm nach unten gefallen?
    Vorsichtig näherte er sich dem Krater im Boden und spähte
hinunter. Es war merkwürdig, das Wohnzimmer so aus der
Vogelperspektive zu betrachten – oder besser gesagt das, was
von dem Zimmer übrig geblieben war. Wilhelms gelbe Polstersessel
waren unter einem Haufen von Schutt kaum noch zu
erahnen. Zwischen Ziegeln und Holz lag der Löschsand aus
der Kiste verstreut. Der Couchtisch war durch die Wucht der
Explosion in zwei Teile geborsten, die Glastüren der hohen
Büchervitrinen zersplittert und teilweise aus den Angeln gerissen.
Aber das Schlimmste war, dass mit dem Dach nicht
nur die Zimmerdecke, sondern auch ein Teil der Fassade weggesprengt
worden war. Wo sich früher ein Fenster befunden
hatte, gähnte nun eine riesige Öffnung.
    Leo ging auf die Knie und kroch bis zum Rand des Kraters.
Von Wilhelm war nichts zu sehen. Trotz des anhaltenden
Piepsens in seinen Ohren konnte Leo hören, dass die Standuhr
noch immer leise und unermüdlich vor sich hin tickte.
    »Wilhelm?«, rief Leo zaghaft in das Loch hinein. Nichts.
Leo rief noch einmal, ein bisschen lauter. Wieder keine Antwort.
Verzweiflung brandete in ihm auf, so stark, dass ihm
übel wurde. Er kroch zurück in sichere Entfernung von dem
schrecklichen Loch. Konnte es sein, dass es Wilhelm auf die
Straße gerissen hatte? Nein, das war unmöglich. Leo blickte
sich um und erstarrte.
    Die Luke zum Dachboden stand offen.
    Wilhelm musste nach unten gestiegen sein – oder jemand
hatte ihn geholt. Leo spürte, wie er eine Gänsehaut bekam.
Befand sich noch jemand im Haus? Oder war Wilhelm einfach
nur nach unten gegangen, um in der Wohnung nach dem
Rechten zu sehen? Aber warum hatte er ihn nicht mitgenommen?
Und warum antwortete er nicht auf sein Rufen?
    Leo beschloss, in der Wohnung nachzuschauen. Er schlich
zur Luke, von der die
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