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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition)
Autoren: Dr. Michael Römling
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fragte, lächelte er nur das dünne, amüsierte
Lächeln, mit dem ein Schauspieler die Affäre mit seiner zauberhaften
Filmpartnerin nicht bestätigt und nicht dementiert.
    Wilhelm schnallte den Koffer zu und gab Leo einen Klaps
auf die Schulter. Sie verließen die Wohnung und traten ins
Treppenhaus.
    Auf dem Treppenabsatz im vierten Stock blieb Wilhelm
plötzlich stehen, drehte sich zu Leo um und hielt sich einen
Finger vor den Mund. Leo erstarrte und blieb wie angewachsen
stehen, während Wilhelm zum dritten und dann zum
zweiten Stock hinunterschlich. Zwischen den Metallstäben
sah Leo, wie sein Freund über das Geländer nach unten spähte.
Irgendwo hallten Schritte, aber Leo war der Blick durch die
Treppe versperrt. Wilhelm schien dagegen umso mehr zu
sehen. Er schaute nach oben, als hätte er Leos Blick im Nacken
gespürt, und machte ein wedelndes Zeichen mit der Hand.
Leo schlug das Herz bis zum Hals, dann begriff er und schlich
zurück in den fünften Stock. In diesem Augenblick setzte die
Sirene wieder ein und schluckte seine Schritte.
    Ein paar Augenblicke später war Wilhelm bei ihm.
    »Was ist los?«, flüsterte Leo trotz der Sirene. »Der Luftschutzwart?«
    »Von wegen«, gab Wilhelm leise zurück. »Zwei von der SS.
General Heldenklau braucht noch Leute. Die durchkämmen
das Haus.«
    »Zum Dachboden?«
    »Was sonst? Beeil dich, sie sind noch im Keller.«
    Der Dachboden war die letzte Zuflucht. Vom obersten Absatz
aus hatte eine Holztreppe nach oben geführt, die Wilhelm
entfernt und durch eine Strickleiter ersetzt hatte, nachdem
Leo zu ihm gekommen war. Wenn die Strickleiter oben
und die Luke geschlossen war, sah es fast so aus, als gäbe es
keinen Aufgang. Natürlich konnte man die Luke erkennen,
wenn man genau hinsah, und sicherlich mussten ungebetene
Besucher irgendwann darauf kommen, dass der Weg zum
Dachboden nur über diesen Treppenabsatz führen konnte.
Aber man gewann Zeit, um die Strickleiter verschwinden zu
lassen und die Rückwand von der großen Kiste abzuziehen,
die ganz hinten in der Ecke unter der Dachschräge stand. Die
Kiste hatte einen doppelten Boden. Der obere Teil war mit
Löschsand gefüllt, der untere Teil barg einen Hohlraum, in
den man von hinten hineinkriechen konnte. Wenn man dann
von innen die Rückwand wieder davorzog, war man praktisch
unsichtbar, denn wer den Deckel der Kiste öffnete, sah nichts
als Sand.
    Leo folgte Wilhelm nach oben. Sie zogen die Leiter ein und
warteten, bis die Sirene wieder aussetzte. Unten im Haus war
Türenschlagen zu hören, eine Stimme rief etwas wie zur Bestätigung,
dann folgten wieder Schritte auf der Treppe.
    »Klappe zu und zum Unterstand. Das ist sicherer«, sagte
Wilhelm knapp und schloss die Luke. Leo sah, dass er angespannt
war, auch wenn er es sich nicht anmerken lassen wollte.
    Sie gingen zu dem Unterstand für den Luftschutzwart, der
wie ein winziges Häuschen mit einem Dach aus Stahlplatten
unter den Dachfirst gezimmert war. Ein schwacher Schutz,
aber besser als gar keiner.
    Wilhelm hockte sich hinter Leo auf einen Balken und
blickte durch die schmale Öffnung im First nach draußen.
»Keine Sorge«, sagte er direkt neben Leos Ohr. »Sie kommen
schon nicht hierher.«
    Leo fragte sich, ob Wilhelm die meinte, die das Haus bombardieren
wollten, oder die, die es gerade durchsuchten.
    Die Sirene verstummte.
    Und dann kamen die Flugzeuge.

Einen Augenblick war alles still. Dann kroch das Brummen
der viermotorigen Maschinen heran, unterbrochen vom erneuten
Aufjaulen der Sirenen. Es waren viele, vielleicht fünfzig
oder noch mehr. Ab und zu blitzte etwas in der schon tief
stehenden Sonne auf. Kurz darauf begann in der Ferne die
Flak verhalten zu donnern. Ein paar Sekunden lang passierte
gar nichts. Dann blubberten die explodierenden Flakgranaten
lautlos und in schneller Folge als winzige Wölkchen unterhalb
der Flotte auf wie hastig und gedankenlos hingetupft.
    Der Bomberstrom fraß sich unbeirrbar durch den Himmel
auf sie zu. Begleitjäger an den Flanken der vierstöckig gestaffelten
Kolonne tauchten ab, stürzten sich in die Tiefe, fingen
sich, flogen Schleifen und schlossen von hinten auf. Als die
Sirenen wieder aussetzten, war das Brummen der Angreifer zu
einem Dröhnen angeschwollen, das den ganzen Dachboden in
Vibrationen versetzte. Die Konturen der Maschinen wuchsen
langsam aus dem violetten Himmel. Die gläsernen Kanzeln
der Bordschützen wurden zwischen dem Flirren der Rotoren
erkennbar. Auch die Wolken der explodierenden
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