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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman
Autoren: Olga Krouk
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lauwarm«, wies sie ihn an. Jetzt musste er aufgeben. Kein Mann duldete eine Frau mit so vielen Extrawünschen.
    Doch sie hatte Doktor Kehrfeld unterschätzt. »Heiß ist mein zweiter Name.« Er zwinkerte ihr zu und brachte sie fast zum Erröten.
    Evelyn sah ihm nach, wie er mit jugendlicher Unbeschwertheit über den Flur schlenderte, was sie bei seiner Statur immer aufs Neue erstaunte.
    Während er im Aufenthaltsraum verweilte, band sie ihr Haar neu zu einem Pferdeschwanz. Wie eine Elfe sähe sie mit offener Mähne aus, hatte ihr einmal jemand gesagt. Um nicht stets zu einem süßen, zerbrechlichen Etwas degradiert zu werden, das von Rittern der Neuzeit beschützt werden musste, bändigte
sie ihre rotbraune Mähne gewöhnlich zu einer strengen Frisur.
    Eines der Telefone auf dem Tisch klingelte. Das linke, zum Glück. Evelyn nahm ab.
    Am anderen Ende plapperte eine Frau drauflos: »Meine Tochter klagt über starke Kopfschmerzen. Sie ist heute von der Schaukel gefallen. Es ging ihr gut, aber jetzt … Sie hat sich übergeben. Soll ich sie ins Krankenhaus bringen?«
    »Ja, unbedingt. Es könnte eine …«
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon zu ihrer Rechten. Auch nach zwei Jahren Dienst in der Notaufnahme geriet Evelyns Herz ins Stolpern, wenn dieses Schrillen den Kampf um Leben und Tod ankündigte.
    »… Gehirnerschütterung sein«, beendete sie ihren Satz, legte nach einem hastigen Gruß auf und griff zum anderen Hörer.
    Die rauchige Stimme eines Rettungsassistenten schilderte knapp die Situation. Ein junger Mann nach einem Motorradunfall, starke Verletzungen, bewusstlos, Verdacht auf Schädelbasisbruch.
    »Den Schockraum vorbereiten!«, rief sie in den Flur, sobald sie aufgelegt hatte. Doktor Kehrfeld, der gerade aus dem Aufenthaltsraum trat und zwei überfüllte Tassen in den Händen balancierte, stellte den Kaffee hastig ab, drehte sich abrupt um und eilte zurück.
    Die nächsten fünf Minuten verliefen wie eine gut einstudierte Choreographie. Evelyn stellte das Beatmungsgerät und das EKG an und bereitete die Instrumente
vor. Doktor Kehrfeld füllte die Notfallvoranmeldung aus. Doktor Lühne, ein hagerer Arzt mit silberweißem Haar und einer runden Brille, die zu groß für sein Gesicht zu sein schien, verteilte die Aufgaben an die anderen Schwestern.
    Die Türen glitten auseinander. Ein Rettungsassistent, begleitet von einem Notarzt, schob die Trage in den Flur. Der junge Mann darauf sah aus, als wäre er einem Fleischwolf nur knapp entkommen. Seine Kleidung war zerrissen und blutüberströmt, der linke Arm und die beiden Beine geschient. Aus dem Mund und den Ohren sickerte Blut.
    »Sein Motorrad hat es buchstäblich in alle Bestandteile zerlegt«, berichtete der Rettungsassistent. »Ich hätte mein Monatsgehalt darauf verwettet, dass der Kerl es niemals bis hierher schaffen würde.«
    Wetten um ein Leben? Evelyn biss sich auf die Unterlippe, um ihn wegen dieser Bemerkung nicht anzufauchen. Vergiss den Blödmann! Es geht nicht um ihn, es geht allein um den Verletzten. Denn dieser braucht all deine Aufmerksamkeit. Und ein Wunder …
    Die Trage wurde in den Schockraum gerollt. Evelyn legte die Elektroden des EKGs an. Über den Monitor zuckte sogleich die Herzspannungskurve, mehrfarbige Zahlen gaben den Blutdruck und die Sauerstoffsättigung wieder. Über eine Angabe stutzte Evelyn.
    »Seine Körpertemperatur liegt bei 30 Grad«, meldete sie, während dieser Parameter weiter sank. Wie
um ihre Worte zu untermalen, brach die EKG-Kurve in ein unkoordiniertes Zucken aus.
    »Kammerflimmern«, diagnostizierte Doktor Kehrfeld. »Defibrillator auf 200 laden. Adrenalin bereithalten.« Er klang ruhig und ohne Hektik - ganz anders als in so manchen Arztserien, auch wenn der Druck nicht zu überhören war.
    Evelyn verbat sich alle Gedanken, die nichts mit ihren Aufgaben zu tun hatten. Ihre Welt begrenzte sich auf den Mann, der um sein Leben kämpfte. Doktor Kehrfeld bereitete den Bewusstlosen auf die Beatmung vor. Evelyn begann mit der Herzmassage, während Doktor Lühne den Defibrillator einstellte.
    »Auf 200 geladen. Und … weg!«
    Evelyn und Kehrfeld unterbrachen die Wiederbelebungsmaßnahmen. Ein Stromschlag ließ den Bewusstlosen zusammenzucken. Das EKG zeigte weiterhin Kammerflimmern an. Die Sekunden verstrichen, wurden zu Minuten. Das Gesicht von Doktor Lühne verfinsterte sich, während Kehrfeld wie besessen die Wiederbelebung fortsetzte. Doch Evelyn wusste bereits, was Doktor Lühne gleich aussprechen
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