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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Autoren: Torsten Fink
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Wind trieb nur noch wenige zerrissene Wolken vor sich her. Der Herbst hatte sich über die Berge gelegt, ihre gewaltigen Flanken glänzten nass vom Regen, und die Schneegrenze war schon ein gutes Stück hinunter ins Tal gewandert. Das Laub leuchtete, und ein steter Regen von Blättern fiel von den Baumriesen auf den schon dicht bedeckten Waldboden. Faran Ured achtete nicht darauf. Er hielt einen verbeulten Blechteller ins kalte Wasser, vorsichtig, so dass das Wasser hinein-, aber nicht wieder herausströmte. Leise summte er ein Lied, und seine wachen Augen starrten gebannt auf die kleine Wasserfläche, in der sich das rote und gelbe Blätterdach und darüber der blasse Himmel spiegelten.
    Das Wasser kräuselte sich, dann nahm es verschiedene Farben an, und plötzlich zeigte es in schneller Abfolge ganz unterschiedliche Bilder: erst Bäume, die ihre Zweige ins Wasser hängen ließen, dann einen dahinschießenden Gebirgsbach, der irgendetwas Dunkles mit sich führte. Faran Ured starrte angestrengt hinein. Sah er dort einen menschlichen Körper? Er verschwand mit dem Bach, und stattdessen erschien eine Kutsche ohne Pferde an einem Weiher zwischen hohen Felsen. Einige Bewaffnete saßen an Feuern ganz in der Nähe. Auch dieses Bild schwand. Der Teller zeigte einen klapprigen Karren an einer Furt, im Hintergrund waren die Türme einer Stadt zu sehen, plötzlich aber zerflossen die Mauern zu Wellen, und dann sah er das weite Meer und eine Galeere mit gelbem Segel, die schnell darüberglitt. Das Meer! Die Stirnfalten des Mannes glätteten sich, sein Summen wurde noch sanfter. » Komm«, flüsterte er, » zeig mir etwas anderes, zeig mir Insel und Haus.«
    Die Wasserfläche klärte sich, zeigte wieder den Himmel, spiegelte das breite, offene Gesicht Faran Ureds und fallende Blätter, dann endlich enthüllte es schroffe Felsen, an denen sich die Wellen brachen, und dahinter eine Insel in der Morgendämmerung – ein graugrüner Fleck unter schnell ziehenden Regenwolken, mit gebeugten Kiefern und windgepeitschten Büschen bewachsen. Ein wehmütiges Lächeln spielte um die Lippen des Mannes. Ein Haus war zu erkennen, inmitten der Kiefern, aber plötzlich schob sich ein dunkles Segel ins Bild wie eine finstere Wolke, und das Wasser wurde trüb. Faran Ured änderte den Ton seiner Beschwörung, versuchte es noch einmal, aber jetzt blieb das Schiff in seinem Blickfeld und versperrte ihm die Sicht auf die Insel, die er so dringend sehen wollte.
    » Was tust du da, Mann?«, fragte eine raue Stimme.
    Faran Ured zuckte zusammen. Das kleine Wasserbild kräuselte sich und zerfloss.
    » Ich wette, er wäscht Gold – oder Silber«, sagte eine zweite Stimme.
    » In diesen Bergen gibt es kein Gold, Bruder«, sagte Ured, drehte sich langsam um und erhob sich, wobei er sorgsam darauf achtete, dass noch etwas Wasser im Teller verblieb. » Und Silber wird nicht aus Flüssen gewaschen«, fügte er hinzu.
    Zwei Männer waren in sein Lager gekommen. Einer, ein graubärtiger Kahlkopf, lehnte an einer der Riesenbuchen und schnitt betont lässig mit einem Schwert Furchen in die Baumrinde. Der andere hockte am Feuer und untersuchte Ureds Habseligkeiten. Er trug eine alte Armbrust über der Schulter.
    » Also, was machst du da?«, fragte der mit dem Schwert.
    » Ich habe mich gewaschen und gebetet, Bruder. Faran Ured ist mein Name, und ich bin ein einfacher Pilger auf dem Weg nach Atgath.«
    Der Graubart strich sich über den kahlen Kopf, wohl, weil einer der zahllosen Tropfen, die schwer aus den Zweigen fielen, ihn getroffen hatte.
    » Hast du gehört? Er hat sich gewaschen.«
    » Viel hat er nicht«, gab ihm der andere, der den Inhalt des Beutels auf dem Boden ausleerte, zur Antwort. » Ein paar Tiegel und Fläschchen, Salben und Tinkturen vielleicht.« Er öffnete ein Fläschchen, roch daran und warf es weg. Dann wühlte er weiter im Beutel. » Trockener Speck, ein Kanten Brot, Käse, ein bisschen Mehl, ein paar Groschen. Eine Mahlzeit für zwei, mehr nicht.«
    » Brot und Speck?«, fragte der Graubärtige. » Ist das alles?«
    Faran Ured machte ein freundliches Gesicht, aber er ärgerte sich über seine Unaufmerksamkeit, die ihn in diese Lage gebracht hatte. Sein Messer – nicht dass es ihm viel genutzt hätte – steckte unerreichbar fern in dem starken Ast, neben dem er seine Decke ausgebreitet hatte. Er hielt den Teller ruhig in der Hand und versuchte, seine Gegner einzuschätzen. Die beiden Männer sahen abgerissen aus. Ihre Kleidung war
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