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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz
Autoren: M Bomm
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handwerkliches Geschick erforderte. Er kümmerte sich seither geradezu übereifrig um das Kirchengebäude, machte regelmäßig seine Kontrollgänge bis hinauf zur Turmspitze und überprüfte auf dem riesigen Dachboden über dem Kirchenschiff, ob es undichte Stellen gab oder Tauben durch irgendwelche Spalten eingedrungen waren.
    So sehr sie ehrenamtliches Engagement begrüßte – aber das, was Alexander praktizierte, war des Guten zu viel. Denn seine Unterstützung galt nicht nur der Evangelischen Kirchengemeinde, sondern auch einer Vielzahl von Vereinen, denen er gerade jetzt in der Zeit der Garten- und Waldfeste manchmal Getränkepreise bot, die kaum die Unkosten deckten.
    Erschwerend kam hinzu, dass er sich die Freiheit nahm und mindestens einmal im Monat mit Freunden eine ganze Samstagnacht in Stuttgarter Diskotheken verbrachte. Dann war er nicht einmal per Handy erreichbar. Sabrina musste daran denken, dass er über Ostern zu seinem Bruder nach Bischofswerda gefahren war – allein und kurzfristig. Am Karfreitag hatte er es angekündigt und natürlich keinen Widerspruch geduldet. In jüngster Zeit kamen ihr Zweifel, ob hinter den nächtlichen Diskofahrten nicht etwas anderes steckte. Möglichkeiten gab es viele. Vielleicht eine andere Frau. Doch gerade diesen Gedanken versuchte sie zu verdrängen. Nichts wäre schlimmer für sie gewesen, als betrogen zu werden. Nein, das durfte nicht sein. Vielleicht hing sein Verhalten auch mit den angeblichen Freunden zusammen, die er in jüngster Zeit um sich scharte. Es waren die Nachkommen deutscher Aussiedler aus Russland, von denen viele in Geislingen Fuß zu fassen versuchten, ohne sich wirklich zu integrieren. Ein sozialer Sprengstoff, wie Sabrina einmal in der Zeitung gelesen hatte. Sie war tief in Gedanken versunken zu der schmucklosen Getränkehandlung gefahren – fast wie in Trance, wie sie erschrocken feststellte. Sie parkte den Kastenwagen dicht an der Waschbetonwand, stieg aus und eilte zur Vorderfront des Gebäudes, wo sie vor einigen Jahren ein großes Mauerstück herausgerissen hatten, um ein Schaufenster einbauen zu können. Es vermittelte an der architektonisch wenig anspruchsvollen Industriehalle wenigstens den Eindruck, dass sich im Innern ein Ladengeschäft befand. Sabrina ging durch die offen stehende Tür, sah, dass ein halbes Dutzend Kunden in den Gassen zwischen den gestapelten Getränkekisten unterwegs war, und lächelte kurz den beiden Angestellten zu, ehe sie im rückwärtigen Teil im Büro verschwand, vor dem Paletten und verschiedenfarbige Plastikeimer den Weg versperrten.
    Auf den beiden aneinander gerückten Schreibtischen herrschte Chaos. Aktenordner und Schnellhefter bildeten zusammen mit losen Zetteln und Fachzeitschriften ein unübersehbares Durcheinander. Irgendwo waren das Telefon und die Tastatur für den Computer vergraben, dessen Monitor den Papierberg überragte und bunte Ornamente erscheinen ließ. An den Wänden hingen vergilbte Plakate einer Brauerei.
    Sabrina ließ sich in einen der beiden Schreibtischsessel fallen, wischte sich mit der Handfläche Schweiß von der Stirn und zog das Telefon zu sich herüber. Sie drückte eine Kurzwahltaste, die mit Alexanders Handynummer belegt war. Während das Freizeichen ertönte, fünf-, sechsmal, begann sie mit der linken Hand Notizzettel zu sortieren, die ihr die Mitarbeiterinnen auf das Papierinferno gelegt hatten, in der Hoffnung, dass sie nicht untergingen. Alexander meldete sich nicht. Sie warf den Hörer verärgert auf den Apparat und sah erst jetzt, was auf einem der Papierfetzen handschriftlich vermerkt war: »Ihr Mann hat angerufen. Er kommt um vier.« Doch jetzt wars bereits kurz vor halb fünf. Sie kannte solche Versprechungen. Alles leeres Geschwätz. Und wenn er nicht ans Handy ging, dann war er wieder untergetaucht oder versackt.
    Sabrina war wütend. Das waren die Momente, an denen sie am liebsten den ganzen Krempel hingeschmissen hätte und auf Nimmerwiedersehen verschwunden wäre – zusammen mit Silke. Sie lehnte sich für ein paar Sekunden zurück, versuchte sich zu entspannen und fasste dann einen Entschluss. Das Stadtfestwochenende würde sie noch durchziehen, mit Anstand und Würde. Am Dienstag aber, nach dem traditionellen Kinderfest, musste etwas geschehen. Hundertprozentig. Und wenn er ihr zuvor noch in die Quere kam, sie erniedrigte oder schikanierte, dann würde es sogar früher geschehen. Ganz bestimmt.

2
    Die Dekanin konnte energisch werden. Ihre respektvolle
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