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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz
Autoren: M Bomm
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wäre, sich von ihm zu trennen. Sabrina fühlte sich an diesem Freitagmorgen, nachdem Silke in die Schule gegangen war, schon wesentlich besser. Immerhin waren sie sich einig. So konnte es auf gar keinen Fall weitergehen. Wenn Alexander glaubte, er müsse alles ausleben, was ihm in seiner Jugendzeit unter dem DDR-Regime versagt geblieben war, dann durfte er das – aber eben ohne sie. Eigentlich war er mit der neu gewonnenen Freiheit nie zurechtgekommen, hatte sie mit Abenteuer und Egoismus verwechselt und geglaubt, sich keinerlei Grenzen auferlegen zu müssen. Ihm war zwar ziemlich schnell das Prinzip von Kapitalismus und freier Marktwirtschaft klar geworden, doch hatte er sehr bald jegliches Augenmaß dafür verloren. Es war eine sinnvolle Entscheidung gewesen, bei der Eheschließung Gütertrennung zu vereinbaren. So konnte sie jetzt mit ihrem Ersparten ein neues Leben beginnen – auch wenn es schwierig werden würde. Doch sie war im Grund ihres Herzens lebenslustig, ehrgeizig und intelligent, dazu überaus hübsch, sodass sie selbstbewusst in die Zukunft blicken konnte. Sie musste nur wollen. Allein schon der Anblick der beiden Schreibtische bestätigte sie in ihrem Entschluss. Alexander konnte keine Ordnung halten. Wäre sie nicht gewesen, hätte er längst den Überblick verloren.
    Sabrina war froh, dass sie vor einem Vierteljahr den arbeitslosen Sergije eingestellt hatten, einen jungen deutschstämmigen Russen, der in den neuen Bundesländern keine Arbeit gefunden hatte. Alexanders Bruder Anton, der in Sachsen lebte, hatte den 24-Jährigen vermittelt. Der junge Mann erwies sich als Glücksfall. Er sprang in die Bresche, wenn Alexander ausfiel, und organisierte jetzt auch den Getränkestand fürs Stadtfest. Nachdem Sabrina ihm 50 Euro versprochen hatte, war er nicht mehr zu bremsen.
    »Es kann nichts mehr schief gehen«, erklärte der schlanke, groß gewachsene Mann, als er durch die offene Bürotür kam und vor den Schreibtischen stehen blieb.
    »Danke«, lächelte Sabrina, »du bist mir eine große Hilfe.« Sie überlegte, ob sie es sagen sollte. »Mein Mann lässt uns wieder mal im Stich.«
    »Er kommt nicht?«
    Sabrina schichtete Papiere um und seufzte. »Er meint wohl, es reicht aus, den Chef zu spielen und das schöne Leben zu genießen.«
    Sergije hatte zwar längst mitbekommen, dass es um die Beziehung der beiden nicht zum Besten stand. Trotzdem fühlte er sich jetzt einigermaßen unsicher. »Wir …« Er suchte nach einer passenden Formulierung. »Wir müssens also allein machen – heut Abend?«
    »Sieht so aus«, stellte Sabrina fest, während sie in den Papierbergen nach etwas suchte und der Saum ihres Kleidchens weit über die Knie rutschte. Sergije nahm es zur Kenntnis.
    »Soll ich noch ein paar Leute …?«
    »Nein, lass nur. Wir werden das schon hinkriegen.« Sie sah in sein erstauntes Gesicht. »Ist doch nicht das erste Mal, oder?«
    »Okay«, erwiderte er, »dann sorg ich dafür, dass heut Nachmittag alles klargeht.«
    »Ich verlass mich auf dich«, zeigte sich Sabrina erleichtert und wandte sich wieder ihren Unterlagen zu.
    Sergije verließ wortlos den Raum und lehnte die Tür an, während Sabrina einige Tasten drückte und auf die Verbindung wartete. »Ja, ich bins, die Sabrina«, meldete sie sich. »Kannst du gerade reden oder ist es ungeschickt?«
    Sie verzog das Gesicht zu einem zufriedenen Lächeln und lehnte sich zurück. Der Saum des Kleides rutschte noch weiter nach oben, aber niemand außer ihr konnte es sehen. »Er ist weg«, sagte sie leise und behielt die angelehnte Tür im Auge. »Ja, immer noch nicht heimgekommen.« Während sie lauschte, drehte sie mit den Fingern der linken Hand am Kabel. »Ich hab keine Ahnung«, erklärte sie dann. »Aber ich möchte dich um eines bitten.« Sie zögerte. »Meinst du, wir könnten uns am Dienstagabend sehen?« Er schien spontan dazu bereit zu sein. »Okay, danke. Das ist lieb von dir. Ich meld mich wieder.« Sie legte zufrieden auf. Jetzt waren alle Weichen in die richtige Richtung gestellt.

3
    Der dumpfe Knall von Böllern hallte schaurig an den Hängen wider. Gleichzeitig schlug die Uhr der Stadtkirche 6-mal und zeigte damit die 18. Stunde des Tages an. Noch immer brannte die Sonne gnadenlos heiß vom Himmel. Die gestrigen Gewitter hatten sich nur örtlich entladen und die Luft noch schwüler gemacht, worauf die monströsen Wolkengebilde hindeuteten, die sich schon wieder über dem Mittelgebirge auftürmten. Davon unbeirrt waren die
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