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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz
Autoren: M Bomm
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Konrad …« Sie kämpfte mit sich. »Weißt du, er hat ein unbändiges Geltungsbedürfnis. Vielleicht liegts an seiner Kindheit und Jugend in der DDR, wo ihm alles verwehrt geblieben ist, was er sich beruflich gewünscht hat. Und das mit der Kirche, das tut er wirklich aus Überzeugung. Er war damals an den Montagsgebeten beteiligt. Du entsinnst dich doch an diese Gebete im Jahr 1989 in den Kirchen, was letztlich dazu geführt hat, dass alles ohne Blutvergießen über die Bühne gegangen ist.«
    Faller gab sich verständnisvoll. »Dafür können wir wirklich Gott danken.« Weil er dabei den Blick zum Himmel richtete, fielen ihm die dunklen Wolken auf, die sich über das Tal schoben. »Schau dir das an«, meinte er, während es ihm bereits wieder leidtat, in dieser Situation übers Wetter zu reden.
    Sabrina drehte ihren Kopf nach oben. »Ich glaub, es braut sich was zusammen.«
    Fallers bärtige Gesichtszüge wurden wieder ernster. Er wünschte Sabrina einen stressfreien ›Hock‹, was natürlich nur so dahingesagt war, und verabschiedete sich mit einem festen Händedruck.
     
    Sabrina Simbach war sauer auf ihren Mann. Wieder mal. Sie hatte sich seit Tagen um den Verkaufsstand bemüht, mit den Lieferanten verhandelt, eine Kühlanlage bestellt und bei der Stadtverwaltung den Anschluss an einen Hydranten beantragt. Alexander hingegen fuhr in der Gegend umher, angeblich, um Kunden zu besuchen, blieb nächtelang fort und genoss das gesellschaftliche Leben in vollen Zügen. Auch jetzt, als Gewitterwolken den Rest Himmel zuzogen, den sie zwischen den mittelalterlichen Häusern überblicken konnte, war er nicht da. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern gab den Handwerkern, die den Getränkestand auf der Fußgängerzone zusammenzimmerten, einige Anweisungen. Heute musste alles so weit fertig sein, dass im Laufe des morgigen Freitags nur noch die Getränke herangekarrt zu werden brauchten.
    Während sie den Männern zeigte, wo die rückwärtige Plane angebracht werden sollte, nickte sie einigen vorbeieilenden Passanten zu. Drüben im Eiscafé herrschte Hochbetrieb. Noch konnte man im Freien sitzen, doch die Wolkentürme verhießen nichts Gutes. »Hoffentlich hebts noch«, hörte sie unvermittelt eine Männerstimme hinter sich. Sabrina drehte sich um. Es war der Buchhändler, der erst vor wenigen Tagen ein komplett saniertes Altstadthaus bezogen hatte.
    »Wenns regnet, können die Leute am Wochenende lesen«, frotzelte Sabrina, obwohl es ihr gar nicht danach war.
    »Des einen Freud, des andern Leid«, entgegnete der schlanke und hochgewachsene Buchhändler. »Wo ist denn dein Mann?«
    Sabrina zuckte mit den Schultern und ihr Blick wurde ernst. »Frag mich nicht. Du kennst ihn doch. Er hat ein tolles Talent, sich immer dann aus dem Staub zu machen, wenns nach Arbeit riecht.«
    »Kann ich dir was helfen?« Der Buchhändler, der sich sein jugendliches Aussehen bewahrt hatte, obwohl er auch schon Mitte 30 war, lächelte.
    »Nein, nein, danke.« Sabrina rüttelte prüfend an einer Holzstrebe. »Das ist lieb von dir. Aber ich krieg das schon hin. Die Jungs hier leisten gute Arbeit.«
    Der Mann schaute verlegen und strebte seinem Laden zu. Sabrina erklärte den Handwerkern, wo sie die Abstellflächen für die Schmutzgläser und den Standort des großen Kühlschranks haben wollte. Dann verabschiedete sie sich und ging zur nächsten Quergasse, wo sie im Halteverbot ihren Kombi abgestellt hatte. Zum Glück war noch kein Strafzettel hinter die Scheibenwischer geklemmt worden. Das hätte ihr jetzt gerade noch gefehlt.
    Allerlei Dinge gingen ihr durch den Kopf, als sie die kurze Wegstrecke bis zum Geschäft zurücklegte: die B 10 hinunter und dann rechts in ein ehemaliges Industriegebiet hinein, in dem Alexander eine alte Lagerhalle gemietet hatte, die sie seither als Getränkelager nutzten. Die kurzen Begegnungen mit Konrad Faller und dem Buchhändler empfand sie als kleine Lichtblicke, als winzige Zeichen von Anerkennung und Wertschätzung. Beides hatte sie daheim schon lange nicht mehr erfahren. Die Gespräche drehten sich, wenn es überhaupt welche gab, nur ums Geschäft. Ihn interessierte nicht einmal, wie es Silke, ihrer Tochter, in der Schule erging. Alexander war nur auf sich und seine Arbeit fixiert und strebte nach Höherem. Sein Selbstbewusstsein hatte noch mehr Auftrieb erhalten, als er in den Arbeitskreis der Kirche aufgenommen wurde. Ihn interessierten weniger die theologischen Themen als vielmehr alles, was
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