Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
Amerika. Auf dem Tisch lagen auch andere Requisiten, die Jamie später brauchen würde.
    Er klemmte sich die Zeitungen unter den Arm und ging hinunter in die erste Reihe. Vor einer dicken Frau mit krausen Haaren blieb er stehen. Sie trug pinkfarbene Leggins und ein T-Shirt mit dem Aufdruck I + Reno. »Würden Sie bitte eine Zeitung auswählen?«, fragte er. »Sie können irgendeine nehmen.«
    Die Frau war mit ihrem Mann gekommen. Er gab ihr einen Stoß, und sie zog eine Zeitung aus der Mitte des Packens. Es war eine Ausgabe der L.A. Times.
    »Vielen Dank«, sagte Jamie. »Diese Zeitung hat mehrere Teile. Bitte wählen Sie einen aus, und geben Sie ihn Ihrem Mann.« Die Frau tat, was er sagte. Sie wählte den Lokalteil und reichte ihn ihrem Mann.
     
    »Bitte reißen Sie eine Seite heraus, und geben Sie sie der Person hinter Ihnen«, fuhr Jamie fort.
    Er hatte Glück, dass hinter dem Mann jemand saß. An schlechten Abenden lagen manchmal drei oder vier leere Reihen zwischen den einzelnen Besuchern.
    Jetzt war die Zeitungsseite in den Händen eines Koreaners, der mit Frau und Tochter gekommen war. Jamie hoffte, dass er seine Sprache verstand. Er holte einen Stift aus der Tasche. »Sie haben jetzt ein Blatt mit mehreren Tausend Wörtern auf der Vorder- und der Rückseite«, sagte er. »Bitte umkreisen Sie eines dieser Wörter. Es kann in einer Überschrift sein oder in einer Anzeige. Das spielt keine Rolle. Sie können aussuchen, was Sie wollen.«
    Der Koreaner lächelte und murmelte seiner Frau etwas zu. Doch er hatte verstanden. Er nahm den Stift, umkreiste etwas und gab Jamie die Seite zurück. Jamie warf einen Blick darauf. Ohne die Worte zu sprechen, las er:
     
    Der neueste Trend in Los Angeles ist die umweltfreundliche Beerdigung. Die Stars stehen bereits Schlange, um sicherzugehen, dass sie der Umwelt nach ihrem, Ableben nicht schaden.
     
    Ein Wort war umkreist. Jamie fixierte es.
    Auf der Bühne sprach Scott jetzt zum ersten Mal.
    »Beerdigung«, sagte er.
    Jamie hielt dem Koreaner die Zeitungsseite hin. »Ist das das
    Wort?«, fragte er.
    »Ja. Ja…!« Der Mann konnte es nicht fassen.
    Zum ersten Mal an diesem Abend war der Applaus wirklich
    laut und echt. Natürlich musste es ein Trick sein. Alles, was die Zuschauer bisher gesehen hatten, waren Tricks gewesen. Aber wie hatten die beiden das gemacht? Die dicke Frau und ihr Mann hatten die freie Wahl gehabt. Der Mann hinter ihnen hätte jedes nur denkbare Wort aussuchen können. Vielleicht arbeiteten die beiden Jungen mit versteckten Mikrofonen. Aber was würde das nützen? Jamie hatte nichts gesagt. Er hatte kaum einen Blick auf die Zeitung geworfen.
    Als der Applaus verstummte, war Jamie schon wieder auf der Bühne.
    »Jetzt möchte ich jemanden bitten, mir zu helfen«, sagte er. Er zeigte auf den Ehemann der dicken Frau. »Wie wäre es mit Ihnen, Sir?«
    Der Mann stieg auf die Bühne. Scott rührte sich nicht. Wenn man vergaß, dass er bereits ein Wort gesprochen hatte, hätte er auch eine Statue sein können. Ein aus Holz geschnitzter Junge. Jamie dagegen war in Bewegung. Er suchte die nächsten Requisiten zusammen und hieß den Mann willkommen.
    »Ich werde meinem Bruder die Augen verbinden«, erklärte er. »Und ich möchte Sie bitten, sicherzustellen, dass er wirklich nichts sehen kann. Vergewissern Sie sich bitte auch, dass er kein verstecktes Mikrofon trägt.«
    Der Mann ging zu Scott und strich mit den Fingern hinter seinen Ohren entlang. Für einen kurzen Moment flackerte etwas in Scotts Augen auf. Diese Demütigung musste er sich jeden Abend zwei Mal gefallen lassen – und er hasste sie. Der Mann merkte nichts.
    »Er ist sauber!«, verkündete er.
    Ein paar Leute lachten.
    Unter Jamies Anleitung legte der Mann zwei Geldstücke auf Scotts Augen. Es waren alte englische Pennys, größer als moderne Münzen. Danach wurden ihm die Augen verbunden, und schließlich streifte Jamie ihm noch eine schwarze Haube über den Kopf. Sie bedeckte seine Augen, seine Nase und sein Haar und ließ nur den Mund frei.
    Jamie kehrte in den Zuschauerraum zurück. Vor einer blonden Frau in einem engen Kleid blieb er stehen. Neben ihr saß ihr Freund, der seine Hand auf ihrem Oberschenkel liegen hatte.
    »Können Sie mir etwas aus Ihrer Handtasche geben?«, fragte Jamie.
    »Du willst etwas aus meiner Handtasche haben?« Die Frau kicherte und sah ihren Freund an. Er nickte, und mit seiner Erlaubnis holte sie einen kleinen silbernen Gegenstand heraus. Jamie nahm ihn in die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher