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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg
Autoren: Andreas Saumweber
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Nachtschwester und Mitpatienten die ganze Nacht wach gehalten. Ein harter Tag stand ihr bevor.
    Als um 06:30 Uhr die Übergabe zu Ende war, trudelten die Schwesternschülerinnen ein. Ihre Schülerin hieß Barbara, war ein hübsches, brünettes Ding und stinkfaul. Von ihrer Seite rechnete Keelin kaum mit Unterstützung. Sie schickte sie zu dem Opa in 325 und wusste, dass Barbara so für mindestens eine Stunde beschäftigt sein würde. Der Rest der Arbeit blieb Keelin.
    Sechzehn Patienten, von denen zwölf zu waschen waren, das war eigentlich nicht menschenmöglich für eine einzige Schwester. Irgendwie würde sie den Tag trotzdem überstehen, mit einer Mischung aus Hektik, Unfreundlichkeit und Oberflächlichkeit. Den Wäschewagen vor sich herschiebend, die Patientenakten unter den Arm geklemmt, machte sie sich an den täglichen Waschkrieg.
    Ab 07:00 Uhr begann das Telefon zu klingeln. Die Assistenzärzte krochen verschlafen über die Gänge und versuchten, von den Schwestern die Neuigkeiten zu erfahren, die ihnen Dr. Fisher vom Nachtdienst nicht sagen konnte. Fisher hatte sich einmal mehr am Morphium vergangen und lag nun völlig stoned auf der Liege im Untersuchungszimmer. Keelin ließ die Ärzte abblitzen. Sie hatte zu viel zu tun und konnte sich darum nicht auch noch kümmern. Es war nicht
ihr
Problem, dass sich die Ärzte nicht trauten, gegen ihren Vorgesetzten Beschwerde einzulegen.
    Um acht schlich Keelin erschöpft und mit zitternden Knien in das Stationszimmer und brachte die Akten von ihrem Durchgang zurück. Zwei Patienten mit zu hohem Blutdruck hatte sie in Eigenverantwortung Tabletten gegeben, Temperaturen und Pulse nur sporadisch gemessen. Die fehlenden Werte würde sie während ihrer zehnminütigen Frühstückspause in die Akten hineinfrisieren.
    Zum Essenausteilen war Barbara verschwunden. Niemand wusste, wo sie steckte, und Keelin hatte keine Zeit, sie zu suchen. Eilig teilte sie ihren Patienten die Frühstückstabletts aus und fütterte im Schnellverfahren diejenigen, die es am nötigsten hatten. Elaine erlöste sie schließlich zur Frühstückspause.
    Als sie den Stützpunkt betrat, war der Tisch schon fertig gedeckt und Brote geschmiert. Keelin lächelte – Elaine war ein Goldschatzund unersetzlich. Sie fragte sich oft, woher die Kollegin die Zeit für solche Nettigkeiten nahm. Sie versorgte ihre Patienten nicht schlechter, soweit Keelin das beurteilen konnte, und schummelte auch mit den Akten nicht mehr als andere. Keelin beneidete sie oft. Elaine wurde manchmal auf Station von ihrem Mann besucht, der sogar zuweilen aushalf. Die beiden waren ein enges, eingespieltes Team.
    Für den Moment jedoch war sie einfach nur froh darüber, dass es Elaine gab. Sie nahm sich einen Teller mit Marmeladenbroten und eine Tasse Kaffee und trug beides in den Nebenraum zum Schreibtisch.
    Während sie arbeitete, hörte sie von drüben die Stimmen der anderen Schwestern und Schülerinnen, die sich zum Essen versammelten. Elaine rollerte mit ihrem Schreibtischstuhl durch die Tür zu ihr, und Keelin machte Platz.
    »Bist du gut durchgekommen?«, fragte Elaine.
    »Gut ist übertrieben«, meinte Keelin mit vollem Mund. »Barbara ist verschwunden. Hab fast alles alleine machen dürfen.«
    Für zwei Minuten arbeiteten sie schweigend nebeneinander.
    Dann meinte Elaine, ohne herüberzublicken: »Du siehst schlecht aus.«
    »Danke!«, knurrte Keelin. Sie
wusste,
dass sie nicht wie das blühende Leben wirkte. Die schlaflosen Nächte, die merkwürdigen Träume hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie hatte dunkle Augenringe, ihre Haare bekamen nicht genügend Pflege und benötigten dringend einen neuen Schnitt. Sie sah alt aus. Und sie hatte schon wieder abgenommen.
    »Kommst du mit zum Rauchen?«, fragte Elaine.
    »Nur wenn du mir versprichst, mich mit dem Thema in Ruhe zu lassen!«
    »Vergiss es. Dann gehe ich eben alleine.«
    Keelin zuckte nur mit den Schultern. Sie wollte jetzt nicht darüber sprechen, außerdem hatte sie sowieso keine Zeit für eine Zigarette, so schön es auch wäre. Sie machte mit ihren Akten weiter.
    Als sie gerade normale Messwerte des Patienten in Bett 316 improvisierte,fragte Elaine über Keelins Schulter gebeugt: »Bist du dir sicher mit Mr. Burke? Ich habe ihn heute Morgen auf dem Gang gesehen. Ich fand, dass er fiebrig ausgesehen hat.«
    Mr. Burkes Temperaturkurve der letzten Tage war normal, und auch Blutdruck und Puls zeigten keine Unregelmäßigkeiten. Keelin sah auf.
    »Mr. Burke wird morgen
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