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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab
Autoren: Nané Lénard
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überlagert wurde, sobald er zu Hause war.
    Längst schliefen er und Charlotte in eigenen Zimmern. Sein Schnarchen war ihm da ein hilfreicher Grund gewesen. Aber auch sonst versuchte er, keine Zeit jenseits der Mahlzeiten mit ihr zu verbringen. Oftgelang ihm das, indem er Überstunden machte, oder in seinem Büro daheim noch Wichtiges zu erledigen hatte.
    Glücklicherweise arbeiteten sie im Bückeburger Krankenhaus in unterschiedlichen Abteilungen und liefen sich dort kaum über den Weg. Charlotte leitete schon seit einigen Jahren die Station der Inneren Medizin.
    Beide von Bodensteins hatten das Rentenalter bereits erreicht, aber sie dachten nicht im Traum daran, ihre Kittel an den Nagel zu hängen, bis ihnen die Klinikleitung vor Kurzem ans Herz gelegt hatte, diese Möglichkeit doch einmal in Erwägung zu ziehen. Die Angst vor dem Nichts war zu groß. Was sollten sie mit sich anfangen, wenn sie den ganzen Tag gemeinsam zu Hause wären? Genau davon hatten sie nur eine vage Vorstellung und die hieß Einsamkeit, weil sie mit sich nichts anfangen konnten. Zwei isolierte Menschen in einer Villa. Im Krankenhaus gab es wenigstens Patienten und Personal. In den eigenen vier Wänden nur die Realität der Entfremdung und die Stille, die aus ihr aufstieg wie Nebel aus zu feuchten Wiesen an einem düsteren Novembermorgen.
    Das Einzige, was die Eheleute tatsächlich zu verbinden schien, war ihre Sorge um das Verschwinden der Enkeltochter Sophie. Endlich ein Thema, bei dem sie einer Meinung waren. Es hatte sich die Angsteingeschlichen, dass jemand ihrer Familie schaden wollte. Zunächst hatten sie an einen Entführungsfall geglaubt und mit einer Lösegeldforderung gerechnet. Sie wären bereit gewesen, ihre Tochter beim Aufbringen der Summe zu unterstützen. Doch es geschah nichts. Kein Anruf, kein Erpresserbrief, kein Lebenszeichen, und das war das Schlimmste, was passieren konnte, weil es keine Möglichkeit gab zu reagieren. Es verdammte auch die Großeltern zum Warten und schuf aus der Sorge heraus eine neue Verbindung, wo alle Brücken längst abgebrochen zu sein schienen.

Die Mail
    Kommissar Wolf Hetzer stöhnte, weil er eine wohlige Bettschwere fühlte, setzte sich aber doch noch an seinen Computer, um die Mail von Thorsten Büthe abzurufen. Das war wichtig, weil er ihm ein Bild von der rosafarbenen Mädchenuhr schicken wollte.
    Es poppten diverse Mails auf, die er sofort löschte, weil er weder Viagra brauchte noch abnehmen wollte. Die Fotos in Büthes Mail zeigten die Knochen des Kinderfußes – Hetzer durchfuhr ein Schauer – tote Kinder waren schwer zu ertragen. Sie waren der Gipfel der Sinnlosigkeit des Mordens überhaupt, fand Wolf und klickte auf „Schließen“. Die Mädchenuhr war in der Tat ungewöhnlich. Sie war ziemlich groß und auffällig. Möglich, dass sie jemand dort oben zufällig am Arm des Mädchens gesehen hatte.
    Dann war noch ein Bild dabei, das ein unvollständiges Handy zeigte. Er glaubte jedoch nicht, dass eine Siebenjährige schon ein Mobiltelefon hatte. Trotzdem druckte er die beiden Bilder aus und steckte sie in seine Mappe. Er hatte schon einen Plan wegen der Uhr. Gerade als er sein Laptop zuklappen wollte, kam eine neue Mail ohne Betreff. Er wollte sie erst wegklicken, öffnete sie dann aber doch und las: „Sie lebt noch!“ Der zweite Adrenalinkick für Hetzer, denn ähnliche Botschaften von „Unbekannt“ hatte er des Öfteren bekommen. Die IP-Adressen wechselten immer und ließen sich nicht nachverfolgen. Er fühlte direkt, dass etwas dahinterstecken musste, ahnte jedoch nicht, was es sein konnte. Und er wusste auch nicht, ob er es wirklich wissen wollte.

Antonia
    Mit Horst war es auch nicht lange gut gegangen. Er hatte wenig Anteil an Tonis Schwangerschaft genommen und war viel lieber mit seinen Motorradkumpels nach Südtirol gefahren oder hatte die Abende in der Laube bei Bier und Fachsimpelei verbracht, als bei ihr zu sein.
    Als die kleine Jane das Licht der Welt erblickte, war er zum „Dinosauriertreffen“ unterwegs, einem riesigen Event in Motorradliebhaberkreisen, das jährlich in der Nähe von Frankfurt stattfand. Toni fühlte sich im Stich gelassen und ahnte wohl schon, welche Prioritäten Horst in seinem Leben setzte, aber sie hoffte. Hoffte, dass die kleine Jane Vaterfreuden in ihm wecken würde und dass sie zusammen mit Grit und Liv eine richtige Familie werden könnten. So zog sie kurz nach der Geburt mit den drei Mädchen zu ihm und zu seinen Eltern auf den Hof in der
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