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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)
Autoren: Antje Wagner
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aussieht, Mariza, aber ein Hotelzimmer ist kein Saustall.“
    Sie sah mich immer noch an. Ihr Blick ging langsam über mein Schürzenkleid. Über die Strumpfhose, und dann weiteten sich ihre Augen. Mir fiel siedendheiß die Laufmasche ein, und schnell wich ich in den Gang zurück.
    Bevor ich in die Kantine ging, zog ich für zwei Euro eine neue Strumpfhose aus dem Automaten in der Umkleide. Der Automat war nur für uns Mädchen angebracht. Korrekte Kleidung gehörte zu den Regeln. Aber ich ahnte, dass es schon nichts mehr nützen würde.
    Wenn sie dich zum Quälen aussuchen, dann passiert bei ihnen etwas Ähnliches wie beim Verlieben. Sie zeigen dieselben Symptome. Sie senden bestimmte Signale aus, und je länger du sie nicht beantwortest, desto größer wird ihre Faszination.
    Nachdem Mariza plötzlich nicht mehr kam, hatte Rosa an der Tür zur Umkleide gestanden und auf mich geschaut. Ich schaute nicht zurück und war bemüht, mich weder schneller noch langsamer als sonst umzuziehen. Ich hatte das Schürzenkleid zugeknöpft, die Turnschuhe geschnürt, mein Haar kontrolliert und mich dann an Rosa vorbei auf den Gang geschoben. Ich hatte mich in die mintgrüne Schlange der Zimmermädchen eingereiht, die vor dem Lager anstanden, um die Trolleys aufzufüllen. Rosa war gar nicht da. Es gab keine Rosa.
    Dummerweise ist Ignoranz nur eine kurzfristige Lösung.
    Ignoranz führt dazu, dass sie dich für arrogant halten. Und da es nur sehr wenig wirklich arrogante Menschen gibt, erzeugt Arroganz den Eindruck von Schönheit. Schönheit macht für eine Weile stumm. Noch schwieg Rosa, aber ich hatte ihren Blick in meinem Nacken brennen spüren. Ich wusste: Kaum etwas strahlte eine solche Faszination aus wie der Gedanke, etwas Schönes zu ramponieren.
    - - -
    „Milana, komm her!“
    Ich stand mit einem Kissenbezug in der Hand vor dem Bett und hob den Kopf. Im gedimmten Licht der Wandlampe sah die cremefarbene Samttapete aus wie Gold. Sie war mit einem filigranen Rankengeflecht überwachsen. Wenn man den Blickwinkel änderte, schienen die Ranken zu zittern und sich wellenartig vorwärtszubewegen. Ich schob das Kissen lautlos in seine Hülle.
    Es gab keine Rosa.
    Ich legte das Kissen auf das Bett neben die anderen beiden und fuhr über den kühlen Damast.
    Rosa war gar nicht da.
    „Milana! Bist du taub, oder was?“
    Ich straffte mich, zog mein Kleid glatt und schwor mir, nicht zu widersprechen. Was auch passierte: nicht widersprechen.
    Ich ging in den Gang. Rosa lehnte an der Tür des Zimmers, das ich kurz zuvor gemacht hatte. Sie sah mich über eine Strecke blauen Teppichs an. Sie trug eine erschütternd weiße Bluse zu einer schwarzen Bügelfaltenhose, und instinktiv ahnte ich, dass sie sich für mich so angezogen hatte. Ihr schwarzes Haar war straff zurückgekämmt und hochgesteckt, was die Zartheit ihres Kinns betonte. Ihr Mund sah röter und verletzbarer aus als sonst, oder es war dieser unglaublich weiße Blusenstoff. Sie schien von innen zu glühen.
    „Ich hab Sie gehört, Frau Mailand.“
    Sie wischte sich kurz über das Haar, als hätte sich eine Nadel gelöst. „Mach die Tür von deinem Zimmer zu, wir haben hier noch zu tun. Und bring deinen Eimer mit.“
    Ich griff nach dem Eimer, und als ich das Wandlicht ausknipste, verschwanden die Ranken. Eine glatte Fläche Wand blieb zurück. Ich zog die Tür heran und wünschte mir, ich wäre dort, wo jetzt die Ranken waren.
    „Mein Gott, geht das immer so langsam bei dir?“
    Ich schwieg. Alle Mädchen hatten sich angewöhnt, nur dann mit Rosa zu sprechen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Reden war gefährlich. Eine Einigung, das hatte jede von uns schnell begriffen, war von vornherein ausgeschlossen, wenn sie dich duzen, während du sie siezt. Rosa hingegen liebte es, mit uns zu reden.
    „Was hast du hierzu zu sagen?“ Sie schob mich ins Bad. Die Fliesen, die Armaturen, die Spiegel blinkten. Die Duschfläschchen lagen säuberlich auf einem weißen Lappen. Die Handtücher hingen hübsch gefaltet. Auch das Toilettenpapier war zu einem makellosen Dreieck umgeschlagen. Mir fiel nichts auf.
    „Ich weiß nicht.“
    „Und das hier?“
    Sie ging vor dem Waschbecken in die Hocke und tippte auf Seifenspuren auf der Unterseite. „Das hab ich übersehen …“, murmelte ich.
    „Ach so“, sagte Rosa und erhob sich. „Und das hier, hast du das auch übersehen?“
    Sie schraubte den Deckel vom Toilettenspülkasten und hob ihn hoch.
    „Aber wir haben doch gar keine
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