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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte
Autoren: Megan MacFadden
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bewegen«, murmelte er. »Gewiss, so ein junges Tier muss umherspringen und seine Kraft austoben. «
    Alina lächelte, als er jetzt einen Krug an die Lippen setzte und genüsslich einige Schlucke des roten Weins durch die Kehle rinnen ließ. Fergus würde sie gewiss nicht verraten. Hohl klapperten die Hufe der Stute auf der hölzernen Zugbrücke, als sie an den hohen Ebereschen vorbeiritten, die längs des Burggrabens wuchsen, schnaubte Niam umwillig, denn sie mochte den Geruch dieser Bäume nicht. Dann ließ Alina ihrem Pferd die Zügel, und die hellbraune Niam stob davon, dass der gelbe Staub um sie herum aufwirbelte.
    Es war berauschend, den Wind zu spüren, das lange Haar zu lösen, so dass es wie eine rotgoldene Flamme hinter ihr herwehte. Wen störte es, dass ihr Kleid sich nun bauschte und hoch emporflatterte? Kein lästiger Begleiter starrte sie an, niemand schrieb ihr die Gangart des Pferdes und den Weg vor – sie war frei und verspürte die seltsame Lust, in das Licht hineinzureiten, darin einzutauchen und es in sich aufzunehmen, um dann selbst zu leuchten, sanft und klar, wie ein schimmernder Stern in der Nacht.
    Als die Stute endlich müde wurde, war auch Alina atemlos von dem raschen Ritt, ihre Wangen glühten, die Haut prickelte und brannte. In weiter Entfernung lag die Burg ihres Vaters auf einem Hügel, jetzt nur noch als massige, dunkle Form durch die Zweige der hohen Ebereschen zu erkennen. Die schlanken Bäume umstanden den Burggraben dicht an dicht wie eine Reihe sehniger Krieger in grün gefiederten Waffenrockern und braunen Beinlingen. Im Herbst schmückten glänzend rote Perlen ihre Gewänder, im Winter jedoch zeigten sie gar jämmerlich ihre nackten grauen Äste, und die Raben zankten sich dort oben laut krächzend um ihr Diebesgut.
    Die Stute lenkte ihre Schritte von allein, denn sie kannte den Weg von zahllosen heimlichen Ausflügen ihrer jungen Herrin. Alina wusste nicht, weshalb dieser Ort solch eine magische Anziehungskraft auf sie ausübte, so dass sie das Verbot ihres Vaters immer wieder übertrat – doch sie konnte sich nicht dagegen wehren. Ihr Ungehorsam bekümmerte sie, denn sie liebte ihren Vater mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt, auch wenn er manchmal seltsam war. Er konnte ohne sichtbaren Grund plötzlich traurig oder zornig werden, manchmal zog er sich auch tagelang vor dem ganzen Hof zurück, schloss sich in einer dunklen Kammer ein, und niemand wusste, was er dort tat. Doch wenn er sich seiner einzigen Tochter zuwandte, lag ein zärtlicher Ausdruck in seinen Zügen, und oft hatte er sie seinen Augenstern, sein Goldkind oder sein Allerliebstes genannt.
    Das alte Gemäuer lag einsam auf dem Rücken eines Hügels und erschien aus der Ferne wie ein grünender Haselhain, aus dem sich ein schmaler Bachlauf den Hügel hinab und weiter durch das Tal nach Süden schlängelte. Dunkler Efeu und blühende Winden rankten sich über die zersplitterten Quader, die früher wohl einmal hell gewesen waren, jetzt aber ein tristes Grau angenommen hatten. Man hatte Alina gesagt, dass dies einst die Hütte eines Hirten gewesen sei, doch sie zweifelte daran, denn die Steine waren groß und regelmäßig behauen, sie passten so perfekt ineinander, dass die Erbauer weder Lehm noch Mörtel gebraucht hatten, um ihnen Halt zu geben. Kein Hirte war imstande, solch ein Gebäude zu errichten, es musste vielmehr das Werk eines kundigen Baumeisters gewesen sein.
    Sie glitt von der Stute hinab und zog das Pferd am Zügel den Hang hinauf bis tief in den Hain hinein, damit niemand ihr Reittier aus der Ferne entdeckte. Schwankendes Zwielicht fiel durch die Zweige der hohen Haselbüsche, Moos federte die Schritte ab, machte sie unhörbar, leise schnaubte die Stute, die zwischen dem Gesträuch Giersch und Löwenzahn gewittert hatte. Alina nahm ihr das Zaumzeug ab und führte sie an die Quelle, damit sie ihren Durst löschen konnte. Murmelnd und gluckernd sickerte das klare Wasser unter einem moosbewachsenen Fels hervor, bildete ein rundes Becken, das in eine steinerne Rinne mündete. Auf der Oberfläche des kleinen Tümpels spiegelten sich Weiden und Haselzweige, dazwischen funkelten Lichtpünktchen, denn die Sonne schoss gleißende Pfeile zwischen dem Blattwerk hindurch. Aufseufzend ließ sich Alina neben dem Quelltopf nieder, zog das Gewand in die Höhe und löste die Schuhbänder. Dann streckte sie vorsichtig den rechten Zeh ins kalte Nass, zog ihn mit einem Aufschrei wieder zurück, kicherte über
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