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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel
Autoren: Kathrin Lange
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Hundeschnauze!«
    »Aus der Zehnten?«, rutschte es Kim heraus. Sie hätte schwören können, dass Lukas mindestens in die Zwölfte ging.
    Triumphierend grinste Sabrina sie an. »Wusste ich’s doch! Er gefällt dir!«
    »Er riecht seltsam«, gab Kim so unberührt wie möglich zurück. Im Stillen dachte sie jedoch an Lukas’ Augen. Dann fiel ihr Blick auf Marie. Sie sah ziemlich sauer aus.
    Sabrina lachte. »So nah war er dir also schon?«
    Marie presste die Lippen aufeinander und strich sich ihre sorgsam frisierten Haare hinter die Ohren. Für gewöhnlich war sie diejenige, die sich die süßesten Jungs angelte, und es war ihr deutlich anzusehen, dass Lukas’ offensichtliches Interesse für Kim sie ärgerte.
    Demonstrativ wandte Kim sich ab, aber Sabrina ließ sie nicht so einfach aus ihren Klauen entkommen. Sie umrundete Kim und versperrte ihr auf diese Weise den Weg in den Unterrichtsraum, den Herr Schröder, ihr Biolehrer, in diesem Moment aufschloss. »Er ist wirklich erst in der Zehnten«, erklärte sie. »Ich weiß das von ein paar Zehntklässlern. Die haben sich auf dem Schulhof über ihn unterhalten. Er ist erst seit ein paar Tagen wieder an der Schule. Angeblich hat er länger ausgesetzt.«
    Kim presste sich ihre Schultasche vor die Brust und musterte Sabrina mit abfälligem Blick von Kopf bis Fuß, um ihr klarzumachen, dass sie an Einzelheiten über Lukas nicht im Geringsten interessiert war. »Und?«, sagte sie betont gelangweilt.
    Da endlich begriff Sabrina, dass Kim wieder einmal einen ihrer asozialen Anfälle hatte. »Manchmal bist du echt ätzend, weißt du das?«, stöhnte sie.
    Als Kim nur gleichgültig mit den Schultern zuckte, fluchte Sabrina leise und zischte: »Ach, mach doch, was du willst!« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um. »Komm, Marie!« Statt bei Kim hakte sie sich nun bei Marie unter und zog die noch immer missmutig aussehende Freundin in den Biosaal.
    Sabrina hatte ja recht! Kim verhielt sich manchmal einfach unmöglich. Aber sie konnte nicht anders. Wenn die Erinnerungen an DAS BÖSE in ihrem Kopf kreisten, war sie nicht in der Lage, sich an dem belanglosen Gequatsche ihrer Klassenkameraden zu beteiligen.
    Mit einem Seufzen folgte sie den anderen.
    Naturwissenschaften mochte Kim nicht besonders, aber das Fach Biologie hasste sie geradezu. Um auf keinen Fall einen Blick auf die Bildtafeln werfen zu müssen, die an der Längsseite des Klassenzimmers aufgehängt waren, durchquerte sie den Raum mit gesenktem Kopf. Immer noch mit gesenktem Kopf legte sie ihre Schultasche auf ihren Platz. Nachdenklich streifte sie sich die Jacke von den Schultern und hängte sie über die Stuhllehne. Lukas trug eine Jeansjacke. Wer hatte heutzutage eigentlich noch so was an?
    Sie setzte sich.
    Vorn am Lehrerpult begann Schröder, seine mitgebrachten Bücher auszupacken.
    Sabrina, die eine Reihe vor Kim saß, lehnte sich zurück. »Sie sagen, er war im Gefängnis«, raunte sie. Marie warf ihr einen bösen Blick zu.
    Aber Kim ignorierte die beiden einfach. Sie wusste, dass Sabrina von Lukas sprach, aber das war ihr im Moment egal. In diesem verdammten Bioraum brauchte sie ihre gesamte Willenskraft, um den Blick die ganze Zeit starr auf ihre Hände gerichtet zu halten. Auf keinen Fall durfte sie zu den bunten Zeichnungen auf den Bildtafeln schauen! Ganz vorn, das wusste sie natürlich, hingen die Katzenartigen, daneben die Wassersäugetiere. Der Große Tümmler grinste den Betrachter an. Nach den Wassersäugern kamen die Nagetiere. Und dann, gerade so weit hinten, dass Kim sie noch aus dem Augenwinkel sehen konnte, hing eine Tafel mit Insekten.
    Angestrengt starrte sie auf ihre weißen Knöchel, die aus den verkrampften Handrücken hervortraten. Doch wie magnetisch wurde ihr Blick immer wieder von den schillernden, geflügelten Tieren angezogen. Er wanderte zu der großen grünen Libelle in der Mitte des Bildes.
    In diesem Moment wurde Kim schlecht.

Kapitel 2
    WieDr. Schinzel, ihr Psychotherapeut, es ihr beigebracht hatte, bekämpfte sie die Panikattacke durch gleichmäßiges und tiefes Ein- und Ausatmen. Herr Schröder warf ihr kurz einen besorgten Blick zu, doch sie schaffte es, ihm beruhigend zuzulächeln, und so drehte er sich wieder zur Tafel.
    Zu ihrer Erleichterung überstand sie die Stunde ohne einen wirklich dramatischen Zwischenfall und war froh, als es endlich klingelte und der Schultag für heute geschafft war. Auf dem Heimweg im Bus setzte sie sich in die erste Reihe. Alle anderen
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