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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Dean R. Koontz
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ihm nach und begriff, daß sein Bedürfnis, andere Leute zu beherrschen, fast schon pathologisch war. Indem sie ihm die Macht nahm, die er bisher über sie ausgeübt hatte, indem sie sowohl ihn selbst als auch sein Geld zurückwies, machte sie sich ihm nicht nur ebenbürtig: In gewisser Weise fühlte er sich dadurch entmannt. Eine andere Erklärung gab es nicht für seine Reaktion, für den Umstand, daß er beinah gewalttätig geworden wäre.
    Während der vergangenen Monate hatte sich in Rachael die Abneigung ihrem Mann gegenüber verstärkt, eine Antipathie, zu der auch eine dumpfe Furcht gehörte. Aber erst jetzt begriff sie das Ausmaß und die Intensität der Wut, die tief in ihm brodelte. Erst jetzt kam ihr zu Bewußtsein, wie gefährlich Eric war.
    Das Licht war noch immer so hell, daß Rachael zwinkerte, und nach wie vor spürte sie die Wärme des Sonnenscheins. Trotzdem aber schauderte sie - und fühlte tiefe Erleichterung darüber, daß sie Eric verlassen und die Scheidung eingereicht hatte, daß sie mit den blauen Flecken an ihrem Oberarm davonkam.
    Sie beobachtete, wie er sich vom Bürgersteig abwandte und die Straße betrat. Und jähes Entsetzen stieg in ihr empor.
    Eric näherte sich seinem schwarzen Mercedes, der an der gegenüberliegenden Straßenseite parkte. Vielleicht machte ihn sein Zorn tatsächlich blind. Möglicherweise war es auch nur der grelle Glanz der Sonne, der sich überall widerspiegelte, ein Schimmern und Gleißen, das ihn blendete. Was auch immer der Grund sein mochte: Er überquerte die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten - und von rechts kam ein Wagen der städtischen Müllabfuhr, etwa sechzig Stundenkilometer schnell.
    Rachael rief eine Warnung - zu spät.
    Der Fahrer trat die Bremse bis zum Anschlag durch. Reifen quietschten, und nur einen Sekundenbruchteil später erklang das dumpfe Pochen des Aufpralls.
    Eric flog einige Meter weit durch die Luft, fiel auf den harten Asphalt der anderen Fahrbahn, rollte mehrmals um die eigene Achse und blieb mit dem Gesicht nach unten liegen.
    Ein gelber Subaru hupte, rutschte mit blockierten Rädern auf den reglosen Mann zu. Nur einen halben Meter vor Eric kam der Wagen zum Stehen. Ein Chevrolet dicht hinter dem Subaru fuhr auf und schob die japanische Limousine bis auf einige wenige Zentimeter an die Gestalt heran, die auf der Straße lag und sich noch immer nicht rührte.
    Rachael war die erste, die Eric erreichte. Das Herz pochte ihr bis zum Hals empor, und sie rief seinen Namen, als sie neben ihm niederkniete und nach dem Nacken des Reglosen tastete, um seinen Puls zu fühlen. Sie spürte warmes Blut, und ihre Finger glitten über feuchte Haut, als sie nach der Hals schlagader suchte.
    Dann sah sie, daß der heftige Aufprall Erics Schädel verformt hatte. Die ganze rechte Seite über dem zerfetzten Ohr war eingedrückt, bis hin zur Schläfe. Von ihrer gegenwärtigen Position aus konnte Rachael nur ein Auge sehen: weit aufgerissen, der Blick gebrochen. Viele kleine Knochensplitter mußten in sein Gehirn eingedrungen sein und einen sofortigen Tod verursacht haben.
    Abrupt stand Rachael auf und würgte einige Male. Benommen taumelte sie ein paar Schritte und lehnte sich an den Subaru.
    »Ich konnte nichts machen«, sagte der Fahrer des Müllwa gens dumpf.
    »Ich weiß«, antwortete Rachael.
    »Überhaupt nichts. Er lief mir direkt vor die Kühlerhaube. Sah weder nach rechts noch nach links. Ich habe gebremst, aber...«
    Rachael versuchte, möglichst gleichmäßig zu atmen. Um sie herum erklangen die Stimmen anderer Fahrer, die ihre Wagen einfach auf der Straße stehenließen und ausstiegen. Irgend jemand fragte sie, ob sie wohlauf sei, und sie nickte nur. Andere Leute erkundigten sich, ob sie einen Arzt brauchte, und daraufhin schüttelte sie stumm den Kopf.
    Ganz zu Anfang ihrer Beziehung hatte sie Eric geliebt - vor einer halben Ewigkeit. Im Verlauf der Jahre war es ihr sogar schwergefallen, ihn zu mögen. Deutlich erinnerte sie sich an seinen Haß kurz vor dem Unfall, und irgendeine Stimme in Rachael flüsterte, eigentlich solle sein Tod sie nicht sonderlich treffen. Trotzdem war sie bis zur Grundfeste ihres Ichs erschüttert.
    In der Ferne heulten Sirenen.
    Allmählich fand Rachael in die Wirklichkeit zurück und schlug die Augen auf. Das helle Sonnenlicht wirkte plötzlich nicht mehr klar und rein. Die Dunkelheit des Todes verfinsterte den Tag, hinterließ einen gelblichen Glanz, den Rachael nicht mit Honig assoziierte, sondern mit
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