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Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Titel: Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Autoren: Alf Leue
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eingestehen – für einen kurzen Augenblick dieser Gedanke gekommen war.
    Sie ging durch den Eingansbereich ins Freie hinaus und trat auf den Hof, wo emsiges Treiben herrschte. Das Frühjahr war endlich angebrochen und die kalten Nächte waren vorbei. So gab es genug zu tun. Peter Graychen hatte die Hube von seinem Vater geerbt, der sie seinerzeit vom Grafen Peter von Falkenstein als Lehen für besondere Verdienste erhalten hatte. Berthold würde der nächste Herr der Hube sein. Ein schönes Stück Land, ein pflichtgemäßes Lager für den Kaiser, immer in der Natur, geachtet von allen, beneidet von vielen – kein so schlechtes Leben, dachte Katharina bei sich. Doch hatte sie kein gutes Gefühl. Bertholds Anfall auf dem Langener Richtplatz war einfach zu heftig gewesen. Zu auffällig und zu passend für Vogt Etzelroth. Und Bertholds Verhalten gefiel ihr auch nicht. Ganz und gar nicht. Was hatten seine Andeutungen zu bedeuten? Und was hatte er nur vor?
    Katharina schob gedankenverloren einen faustgroßen Kiesel, der am Rand des eingefassten Kräuterbeetes lag, beiseite. Wo blieb Berthold nur? Sie musste nach Hause. Alwin, der alte Knecht der Graychens, kam mit einem kopflos zuckenden Hühnerleib und einem kleinen blutigen Beil an Katharina vorbei. Er lächelte freundlich und warf ihr ein erklärendes „Hühnersuppe“ entgegen, bevor er im seitlichen Kücheneingang, an der rechten Seite des Haupthauses, verschwand. Plötzlich legte jemand Katharina eine Hand auf die Schulter. Sie drehte sich um. Es war Berthold. Sie sah die traurigen Augen ihres Verlobten.
    „Was ist?“
    Berthold schüttelte nur betreten den Kopf.
    „Nicht jetzt, Katharina.“
    Dann fragte er: „Du musst schon fort?“
    „Ja, leider. Ich würde noch so gerne bei dir bleiben, mein Liebster, aber mein Vater wird ohnehin nicht gut auf mich zu sprechen sein, weil ich so spät komme. Und zu Hause wartet noch viel Arbeit auf mich. Wir treffen uns am Sonntag nach dem Mittagessen an unserem Platz, dann kannst du mir alles berichten.“
    Berthold nickte. Katharina küsste ihn hastig und hob die Hand zum Abschied, als sie zum Hoftor hinausging. Berthold blickte ihr nach, solange, bis sie den Weg erreichte und nach rechts in Richtung Stadt abbog. Sonntag also. Dann würde er sie vielleicht zum letzten Mal sehen.
     

     
    Berthold ging ins Haus zurück. Es war Zeit für das Essen. Er hatte seiner Familie seine unumstößliche Entscheidung mitgeteilt. Die Mutter versuchte ungeschickt, ihr verweintes Gesicht zu verbergen. Bertholds Bruder Robert, drei Jahre jünger als er, saß betreten, schweigsam und mit gesenktem Blick seinem Vater gegenüber. Peter Graychen hingegen schien sich selbst noch nicht allzu sicher zu sein, wie er sich fühlen sollte. Er schwankte zwischen ohnmächtiger Wut und mitleidiger Hilflosigkeit, wohl wissend, dass er seinem Sohn mit keinem dieser Gefühle gerecht werden oder gar eine Stütze sein konnte. Doch er war das Familienoberhaupt und es war an ihm, die richtigen Worte zu finden. Er sah abwesend in die Luft, als er zu sprechen begann.
    „Was heute geschehen ist, ist der Gipfel einer tragischen Kette von Ereignissen, die das Schicksal – und nur Gott, unser Herr, weiß warum – über Berthold und damit über die ganze Familie gebracht hat. Erst der Reitunfall und die Lahmheit und, als wäre das noch nicht genug, diese unheilvolle Gabe, zu wissen, was niemand eigentlich wissen darf. Und nun noch der heutige Vorfall.“
    Jetzt wandte er sich Berthold zu und sah ihm in die Augen.
    „Natürlich ist mir klar, dass etwas geschehen muss. Aber du darfst nicht weglaufen, Berthold. Das käme einem Schuldanerkenntnis gleich und Etzelroth würde dich jagen, wo er nur könnte. Wir müssen uns an den Erzbischof wenden und eine gerechte Untersuchung verlangen.“
    Berthold starrte auf den Tisch. Es tat weh. Sein Herz blutete, doch er war entschlossen.
    „Nein, Vater. Ich muss gehen. Ich bringe euch in Gefahr und Katharina auch. Ganz zu schweigen davon, dass ich keinen Wert darauf lege, Etzelroths ungerechtes Verhör zu erleben, dessen Ergebnis bereits feststeht. Du weißt, dass ich recht habe. Und an den Erzbischof herantreten? Wir sind nichts, nur einfache Leute. Keine Menschen von Stand. Gut, vielleicht würde er uns anhören, vielleicht sogar würde er uns beistehen. Aber wann? Das Risiko ist zu hoch. Nein und nochmals nein. Ich habe meinen Entschluss gefasst. Ich werde gehen.“
    Bertholds Mutter liefen Tränen über ihre Wangen.
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