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Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Titel: Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Autoren: Alf Leue
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Zeit unweigerlich das Interesse des Dreieichenhayner Vogtes Wolfram Etzelroth. Aus Gründen, die sich Berthold nicht erklären konnte, schien ihn Etzelroth seit mehr als einem Jahr genau zu beobachten. Gerüchte von Hexerei, die offensichtlich der Vogt gestreut hatte, machten bereits im Ort die Runde. Seitdem sie Berthold zu Ohren gekommen waren, hielt er sich ganz zurück mit irgendwelchen Äußerungen zu seinen Ahnungen. Er wollte seine Eltern und sich selbst nicht in Gefahr bringen, denn Etzelroth war für sein brutales und selbstgerechtes Vorgehen weit über die Grenzen Dreieichs hinaus bekannt. Doch die Gründe für seine Behauptungen blieben zunächst im Verborgenen.
     

     
    Der lahme Franz war im gesamten Wildbann und der weiteren Umgebung der Stadt bekannt. Er hatte vor vielen Jahren eine windschiefe, halb verfallene Kate bezogen, die etwas außerhalb der Stadtmauern im Wald lag und durch deren pechverschmierte Fugen stets der Wind pfiff. Doch im Unterschied zu vielen anderen Tagelöhnern und Besitzlosen, die sich ihren Unterhalt zusammenbettelten oder -stahlen und dabei auch vor Schlimmerem nicht zurückschreckten, war er etwas Besonderes. Man sagte ihm nach, er entstamme eigentlich einem alten Rittergeschlecht und dass seine Vorfahren sogar an den Kreuzzügen gegen die Ungläubigen teilgenommen hätten. Diese Gerüchte erhielten auch dadurch Nahrung, dass Franz ein gebrochenes und fremdländisch klingendes Deutsch sprach. Seinem Aussehen nach zu urteilen, musste er um die sechzig Jahre alt sein. Doch auch wenn sein hagerer Körper etwas gekrümmt war, er stets ein Bein mühsam nachzog und sein Gesicht von unzähligen Falten und Runzeln zerfurcht war, blickten seine Augen stets so wach und glänzend, als sei er noch ein junger Mann.
    Darüber hinaus hatte Franz auch die seltene Gabe, selbst unbedeutende Zeichen einer Krankheit, wie kalten Schweiß oder Krämpfe, richtig deuten und die passenden Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Da Franz sich auch mit Heilkräutern bestens auskannte und zudem noch ein großes Herz und für jedermann ein offenes Ohr hatte, konnte man mit seinen Sorgen sogar dann zu ihm gehen, wenn man nicht erkrankt war, sondern einfach nur Rat suchte. Aus Franz’ Worten sprachen Weisheit und Güte und fast etwas Heiliges. Dies gefiel weder dem Priester, der sein Beichtmonopol in Gefahr sah, noch dem Bader, dessen Absatz selbstgebrauter Mixturen in Langen und Umgebung stark nachgelassen hatte, seitdem der lahme Franz vor rund zwanzig Jahren aufgetaucht war. Auch dem Vogt Etzelroth war Franz schon immer ein Dorn im Auge gewesen.
    Doch das Volk wandte sich weiterhin an ihn. Denn Dinge, die man dem Priester besser nicht sagte, weil man nicht wollte, dass Gott sie erfuhr – zumindest nicht aus erster Hand –, konnte man Franz getrost anvertrauen und dabei gleichzeitig sicher sein, dass das Gesagte den verräucherten, niedrigen Raum mit dem verwanzten Strohlager nicht verließ. Berthold empfand Franz gegenüber seit jeher eine tiefe Bewunderung und Verbundenheit. Die beiden kannten sich schon seit Bertholds siebtem Lebensjahr. Ihr Umgang wurde indes von manchen Leuten, allen voran Vogt Etzelroth, mit Argwohn beobachtet, weshalb sie sich meist heimlich trafen. Doch trotz aller Vorsicht wusste bald jedermann von ihrer Freundschaft.
    Und nun war Franz wegen angeblicher Zauberei und Ketzerei zum Tode verurteilt worden. Katharina sagte einmal zu Berthold, kurz nach dem Ende des elenden peinlichen Verhörs und dem Urteilsspruch vor zwei Wochen, dass fast jeder der anwesenden hochedlen Herren, die den Stab über Franz gebrochen hatten, ihn schon selbst besucht und ihm auch sicherlich persönliche Geheimnisse anvertraut hatten. Vielleicht, so meinte Katharina, habe er am Ende zu viel oder das Falsche erfahren und musste deshalb geopfert werden. Wer wisse das schon? Ein Ketzer und Zauberer sei er jedenfalls nicht. Das wusste auch Berthold. Warum aber der Vogt des Dreieichenhayner Wildbanns Franz töten lassen wollte, war ihm unklar.
    Nun wurde Franz im blutverschmierten Büßerhemd und in enge Ketten gezwängt auf dem vergitterten Henkerskarren zum Richtplatz gefahren. Die Menge derer, die von außerhalb Langens eigens wegen des Ereignisses angereist war, johlte. Viele der Langener hingegen betrachteten das Spektakel stumm und mit gemischten Gefühlen. Sie waren nur erschienen, damit ihnen nicht nachgesagt werden konnte, sie würden das Urteil nicht gutheißen oder gar anzweifeln. Sie alle kannten
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