Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
umkreisen und achtete darauf, dabei nicht auf einen Sranc zu treten. »Das trennt Leute wie dich von unsereinem: der krallende, wühlende Überlebenstrieb. Für uns ist Leben immer eine… Entscheidung. Für Leute wie dich… Na, sagen wir einfach: Über euch wird entschieden.«
    Nun sagte Kellhus endlich etwas: »Und diese Entscheidung läge demnach in deiner Hand?«
    Die Gestalt hielt inne. »Hör ich da Spott?«, fragte sie traurig. »Den immerhin haben wir miteinander gemein.«
    Der Mönch hatte sein Gegenüber absichtlich provoziert, damit aber wenig erreicht – so schien es jedenfalls zunächst. Doch dann senkte der Fremde unvermittelt den Blick, ließ den unterm Helm steckenden Kopf kreisen und murmelte: »Der quält mich! Dieser Sterbliche quält mich… Und er erinnert mich an jemanden… Aber an wen?« Er nestelte an seinem Umhang, bis er die richtige Fratze gefunden hatte. »An den hier! Alle Wetter – der hat mir Spaß gemacht! Ja, an den erinnere ich mich gut…« Er sah zu Kellhus auf und raunzte: »Und wie ich mich an den erinnere!«
    Da begann der Mönch, die Grundvoraussetzungen dieser Begegnung zu verstehen. Das ist bestimmt ein Nichtmensch! Schon wieder wird eine von Leweths Mythen wahr.
    Feierlich und bedächtig zog die Figur ihr breites Schwert. Wie konnte es in diesem Halbdunkel so befremdlich glänzen? Es schien, als spiegele die Klinge das Sonnenlicht einer anderen Welt. Doch die Gestalt wandte sich einem toten Sranc zu und rollte ihn mit der flachen Seite der Waffe auf den Rücken. Die bleiche Haut des Gefallenen begann schon zu dunkeln.
    »Dieser Sranc hier, dessen Namen du sicher nicht aussprechen könntest, war unser elju – unser ›Buch‹, wie es in deiner Sprache heißt. Er war eine wirklich ergebene Kreatur. Ohne den bin ich aufgeschmissen, vorläufig jedenfalls.« Er untersuchte die anderen Toten. »Das sind wirklich ekelhafte und bösartige Wesen.« Sein Blick ruhte nun wieder auf Kellhus. »Aber absolut… unvergesslich.«
    Damit hatte er sich eine Blöße gegeben, und die wollte Kellhus nutzen. »Deine Herrlichkeit hat kräftig gelitten«, rieb er ihm unter die Nase. »Du bist inzwischen richtig zu bedauern.«
    »Du wagst es, mich zu bemitleiden? Ein Hund will Mitleid zeigen?« Der Nichtmensch lachte grell auf. »Der Anasûrimbor bemitleidet mich! Dafür soll er… Ka’cûnuroi souk ki’elju, souk hus’jihla.« Er machte eine verächtliche Geste und zeigte dann mit dem Schwert auf die Toten ringsum. »Die hier… die Sranc sind inzwischen unsere Kinder. Aber früher! Früher seid ihr unsere Kinder gewesen. Uns hat man das Herz aus dem Leib gerissen, also haben wir uns an eure Herzen gehalten – ihr treuen Ritter der ach so großen Könige von Norsirai.«
    Der Nichtmensch trat näher.
    »Doch das ist vorbei«, fuhr er fort. »Im Lauf der Zeit war manchen von uns euer kindisches Gezänk keine Erinnerung mehr wert. Einige brauchten erlesenere Grausamkeiten als das, was ihr bei euren kleinen Fehden zuwege brachtet. Weißt du, unter welchem Fluch wir leiden? Natürlich weißt du das! Jeder Sklave weidet sich schließlich an der Erniedrigung seines Herrn, stimmt’s?«
    Der Wind ließ seinen alten Umhang flattern, und der Nichtmensch kam noch einen Schritt näher.
    »Aber ich fange schon an, mich nach Menschenart zu rechtfertigen. Alles Leben ist vergänglich. Wir sind es nur, die am nachdrücklichsten daran erinnern.«
    Der Nichtmensch hatte sein Schwert nun auf Kellhus gerichtet, der seinerseits in Positur gegangen war und die Waffe gezückt hatte.
    Wieder herrschte Schweigen – tödliches Schweigen diesmal.
    »Ich bin bereits eine Ewigkeit Krieger, Anasûrimbor, eine Ewigkeit. Ich habe mein Schwert schon in tausend Herzen gerammt. In den großen Kriegen, die zu dieser gewaltigen Verwüstung geführt haben, habe ich sowohl für als auch gegen den Nichtgott gekämpft. Ich habe die Mauern des großen Golgotterath erstürmt und gesehen, wie Königen vor Zorn das Herz stehenblieb.«
    »Und warum«, fragte Kellhus, »erhebst du das Schwert nun gegen einen Einzelnen?«
    Sein Gegenüber lachte laut auf und wies mit der freien Hand auf die Toten. »Zugegeben – das ist ein Hungerlohn, aber durch deinen Tod würdest du für mich unvergesslich.«
    Kellhus stach als Erster zu, doch seine Klinge prallte am Kettenhemd ab, das der Nichtmensch unterm Umhang trug. Der Mönch machte sich klein, lenkte den wuchtigen Gegenschlag zur Seite ab und zog seinem Feind die Beine weg. Der Nichtmensch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher