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Schatten ueber Innsmouth

Schatten ueber Innsmouth

Titel: Schatten ueber Innsmouth
Autoren: H. P. Lovecraft
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steife Rücken und der schmale Kopf des Fahrers wurden mir immer widerwärtiger. Als ich ihn genauer betrachtete, sah ich, daß sein Hinterkopf fast genauso haarlos war wie sein Gesicht und nur ein paar schüttere gelbe Strähnen hier und da die graue, schuppige Haut verdeckten. Dann erreichten wir den Gipfel der Anhöhe und sahen in das
    dahinterliegende Tal hinab, wo der Manuxet ins Meer mündet, unmittelbar nördlich der langen Kette von Klippen, die in Kingsport Head ihre größte Höhe erreicht, um sich dann in einem weitgespannten Bogen bis zum Cape Ann hin fortzusetzen. Am fernen, diesigen Horizont konnte ich gerade noch den Umriß von Kingsport Head ausmachen, mit dem sonderbaren alten Haus darauf, von dem man sich so viele Legenden erzählt; doch im Augenblick galt meine ganze Aufmerksamkeit dem näheren Panorama, das sich unmittelbar vor uns entfaltete. Ich erkannte, daß ich nun endlich dem von Gerüchten überschatteten Innsmouth von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
    Es war eine Stadt von großer Ausdehnung und gedrängter Bauweise, aber mit einem gespenstischen Mangel an sichtbaren Lebenszeichen. Aus den zahllosen Kaminen stieg kaum ein Rauchwölkchen auf, und die drei hohen Türme zeichneten sich nackt und ungetüncht vor dem Himmel über dem Meer ab. Einer von ihnen bröckelte an der Spitze ab, und in diesem oder einem anderen waren nur schwarze, gähnende Löcher, wo eigentlich die Zeiger der Turmuhr hätten sein müssen. Das endlose Gewirr durchhängender Walmdächer und spitzer Giebel rief mit erschreckender Eindringlichkeit die Vorstellung wurmstichigen Verfalls hervor, und als wir auf der nunmehr abfallenden Straße näherkamen, konnte ich sehen, daß viele Dächer gänzlich eingestürzt waren. Es gab auch ein paar große, viereckige, georgianische Häuser mit Walmdächern, Kuppeln und Erkern. Diese waren größtenteils ziemlich weit vom Meer entfernt, und eines oder zwei davon schienen einigermaßen gut erhalten. Von dort aus erstreckten sich die verrosteten, grasüberwucherten Schienen der stillgelegten Eisenbahnlinie ins Hinterland, mit schiefen Telegraphenstangen, die jetzt keine Drähte mehr trugen, und daneben sah ich die fast verwischten Linien der alten Fahrwege nach Rowley und Ipswich.
    Am schlimmsten war der Verfall unmittelbar am Meer, doch gerade dort konnte ich den weißen Glockenturm eines ziemlich gut erhaltenen Steingebäudes erkennen, das wie eine kleine Fabrik aussah. Der längst versandete Hafen war von einem uralten Wellenbrecher umschlossen, auf dem ich nach und nach die Umrisse von ein paar sitzenden Fischern ausmachen konnte und an dessen Ende ich noch die Grundmauern eines einstigen Leucht-turms zu erkennen glaubte. Auf der Innenseite dieser Barriere hatte sich ein Sanddamm gebildet, und auf diesem sah ich ein paar verfallene Hütten, vertäute Boote und herumliegende Hummerkörbe. Die einzige Stelle mit tiefem Wasser schien dort zu sein, wo der Fluß an dem Gebäude mit dem Glockenturm vorbeifloß und einen Bogen nach Süden machte, um am Ende des Wellenbrechers in den Ozean zu münden.
    Hier und da waren am Ufer noch die ehemaligen Piere erhalten, die jedoch weiter draußen schon völlig zerbröckelt waren, und der Verfall war bei den am weitesten südlich gelegenen am stärksten fortgeschritten. Weit draußen auf dem Meer erkannte ich trotz der Flut eine lange, schwarze Linie, die sich kaum über die Wasserfläche erhob und doch irgendwie unheimlich und bösartig aussah. Das mußte das Teufelsriff sein. Und während ich hinausschaute, schien sich in meinen Abscheu ein sonderbares Gefühl der Verlockung zu mischen; und merkwürdigerweise fand ich diesen Unterton verwirrender als den primären Eindruck.
    Auf der Straße war kein Mensch zu sehen, aber wir fuhren jetzt an verlassenen Bauernhöfen in unterschiedlichen Stadien des Verfalls vorbei. Dann gewahrte ich ein paar bewohnte Häuser, deren zerbrochene Fenster mit Lumpen verhängt waren und in deren verwahrlosten Höfen Muscheln und tote Fische herumlagen. Einoder zweimal sah ich mürrische Leute, die in unfruchtbaren Gärten arbeiteten oder unten an dem nach Fischen riechenden Ufer nach Muscheln gruben, sowie Gruppen schmutziger, affengesichtiger Kinder, die auf den mit Unkraut überwucherten Vortreppen spielten. Irgendwie schienen diese Menschen beunruhigender als die trostlosen Gebäude, denn fast bei jedem von ihnen wies das Gesicht oder die Art, sich zu bewegen, absonderliche Merkmale auf, die mir instinktiv
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