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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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Mordes zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden ist.«
    Ganz langsam drehte Kelsey sich um. »Mord? Du willst mir erzählen, daß meine Mutter eine Mörderin ist?«
    »Ich hatte gehofft, daß ich das nie tun müßte.« Er stand auf, überzeugt, daß in der plötzlichen Stille das Knacken seiner Knochen zu hören war. »Du warst bei mir. Gott sei Dank warst du in der Nacht, in der es passierte, bei mir und nicht auf der Farm. Sie erschoß ihren Liebhaber, einen Mann namens Alec Bradley. In ihrem Schlafzimmer kam es zu einer Auseinandersetzung, da nahm sie eine Pistole aus ihrer Nachttischschublade und tötete ihn. Damals war sie sechsundzwanzig, so alt wie du jetzt. Sie wurde des Totschlags für schuldig befunden. Das letzte Mal sah ich sie im Gefängnis. Sie sagte, es sei ihr lieber, du würdest sie für tot halten, und wenn ich mich damit einverstanden erklärte, würde sie nie wieder Kontakt zu dir suchen. Bis heute hat sie ihr Wort gehalten.«
    »Ich verstehe das alles nicht.« Kelsey wurde schwindlig, und sie preßte die Hände gegen die Augen.
    »Ich hätte dir das gern erspart.« Liebevoll faßte Philip ihre Handgelenke und drückte ihre Hände nach unten, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. »Wenn es falsch war, dich beschützen zu wollen, gut, dann war ich vielleicht im Unrecht, aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen. Ich liebte dich, Kelsey. Dafür kannst du mich doch nicht hassen.«
    »Nein, ich hasse dich ja nicht.« Aus alter Gewohnheit
lehnte sie den Kopf an seine Schulter und blieb so stehen, während sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen. »Ich muß nachdenken. Es erscheint mir alles so unwirklich. Ich kann mich noch nicht einmal an sie erinnern, Dad.«
    »Du warst noch zu klein«, murmelte er erleichtert. »Aber glaub mir, du siehst ihr unwahrscheinlich ähnlich. Es ist beinahe gespenstisch. Deine Mutter war eine lebenssprühende, faszinierende Frau, trotz all ihrer Fehler.«
    Wozu unter anderem ein Gewaltverbrechen gehörte, dachte Kelsey. »Ich habe noch so viele Fragen. Ich kann einfach keinen klaren Gedanken fassen.«
    »Bleib doch über Nacht hier. Sobald ich mich loseisen kann, reden wir weiter.«
    Der Gedanke war verlockend, sich in die Geborgenheit ihres alten Zimmers zurückzuziehen und sich von ihrem Vater den Kummer und die Sorgen vertreiben zu lassen, so, wie er es von jeher getan hatte.
    »Nein, ich will nach Hause«, sagte sie und wandte sich ab, um nicht doch noch schwach zu werden. »Ich muß eine Weile allein sein. Candace ist schon nicht gut auf mich zu sprechen, weil ich dich von euren Gästen fernhalte.«
    »Sie wird das verstehen.«
    »Natürlich. Du kümmerst dich jetzt besser um deine Gäste. Ich gehe lieber hinten raus, ich möchte keinem in die Arme laufen.«
    Die hitzige Röte ihrer Wangen war verblaßt, und ihr Gesicht wirkte jetzt bleich und abgespannt. »Kelsey, ich wünschte, du würdest hierbleiben«, sagte ihr Vater.
    »Es geht mir gut, wirklich. Ich muß das alles nur erst verarbeiten. Wir reden später darüber. Schau du jetzt nach deinen Gästen.« Als Zeichen der Vergebung gab sie ihrem Vater einen Kuß. Als sie allein im Zimmer war, ging sie zum Schreibtisch und schaute nachdenklich auf den Brief, faltete ihn dann zusammen und steckte ihn wieder in ihre Tasche.
    Welch ein Tag, dachte sie. Sie hatte einen Ehemann verloren und eine Mutter gewonnen.

2
    Manchmal war es am besten, einem Impuls zu folgen. Nun, vielleicht nicht gerade am besten, korrigierte sich Kelsey, als sie die Route 7, die durch die Berge Virginias führte, westwärts fuhr – aber äußerst befriedigend.
    Wahrscheinlich wäre es klüger gewesen, noch einmal mit ihrem Vater zu reden, alles noch einmal gründlich zu überdenken. Doch Kelsey hatte sich entschieden, einfach ins Auto zu steigen und zur Three-Willows-Farm zu fahren, um die Frau zur Rede zu stellen, die sich zwei Jahrzehnte lang totgestellt hatte.
    Meine Mutter, dachte Kelsey, die Mörderin.
    Um das häßliche Bild zu verscheuchen, drehte sie das Radio auf; Rachmaninoff erklang. Es war ein herrlicher Tag für eine Autofahrt, hatte sie sich immer wieder eingeredet, seit sie am Morgen eilig ihr einsames Apartment verlassen hatte. Und auch als sie die Karte studierte, um den schnellsten Weg nach Bluemont zu finden, hatte sie sich das Ziel ihrer Fahrt nicht eingestanden.
    Niemand wußte, daß sie kam. Niemand wußte, wo sie hingefahren war.
    Das war Freiheit! Sie trat das Gaspedal durch, genoß die Geschwindigkeit, den
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