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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition)
Autoren: Jutta Ahrens
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wollte sie doch so rasch wie möglich mit Octavien zurück auf das Gut, um die Hochzeit vorzubereiten und natürlich auch, um Sieglinde triumphierend das Dokument unter die Nase zu halten. Octavien ging es ebenso. Am Tage ihres Abschieds erschien neben den Freunden auch Monthelon und bedankte sich bei Agnes.
    »Ihr dankt mir? O nein, ich muss mich bedanken für Eure Gastfreundschaft und die Zeit, die ich an diesem märchenhaften Ort verbringen durfte.«
    »Aber solange das Märchen nicht für alle wahr wird, gleicht es einer goldenen Kette, die aus Furcht, man könne sie stehlen, in einem dunklen Kasten aufbewahrt wird. Erst, wenn sie am Hals einer schönen Frau schimmert, entfaltet sie ihren eigentlichen Reiz. Durch dich bewegen wir uns wieder ein Stück nach vorn auf das Ziel zu. Wir werfen die alten, zerschlissenen Sachen fort, auch wenn sie uns bis dahin gute Dienste geleistet haben, und wir kleiden uns neu ein. So tun wir einen Schritt nach dem anderen. Das Ziel mag noch in weiter Ferne liegen, es mag Rückschläge geben, aber es wird kommen. Es muss kommen, weil der menschliche Geist größer ist, als wir vermuten.«
    »Ich hab’s schon immer vermutet«, verkündete Agnes in ihrer unbefangenen Art. »Man muss den Leuten nur immer wieder gehörig auf die Zehen treten.«
    Monthelon lachte. »Da hast du völlig recht. Geht mit meinem Segen.«
    »Aber ihr alle werdet doch zu unserer Hochzeit kommen?«, sagte Octavien.
    »Wenn du uns einlädst, dann kommen wir«, grinste Emanuel.
    »Ich hoffe doch, ich bekomme auch eine Einladung«, ertönte da eine spöttische Stimme aus dem Hintergrund. Sinan stand da. Er kam näher und verbeugte sich mit gewohntem Schwung vor Agnes. »Du hast wirklich Glück, Jungfer Agnes. Vom Mainzer Stadttor zu Gattin eines Rittergutbesitzers. Das ringt mir Respekt ab. Und dann schnappst du uns noch die hübschesten Burschen vor der Nase weg, was mich besonders fuchst.«
    »Wen meinst du denn mit uns?«, fragte Emanuel irritiert.
    Aber Agnes hatte schon verstanden. Sie blinzelte Sinan zu. »Uns, die wir uns am anderen Ufer der Gesellschaft tummeln, habe ich recht?«
    Sinan grinste. »Teufel auch. Du bist gar keine Frau. Du bist ein halber Mann. Deshalb gönne ich ihn dir auch, deinen Octavien.« Er schlug diesem kräftig auf die Schulter. »Ich gratuliere dir zu dieser Frau, mein Freund.«
    »Da bist du schon der Zweite«, lachte Octavien. »Ach, ich werde euch alle vermissen, aber so Gott will, sehen wir uns bald alle auf Gut Dreieichen zur Hochzeit wieder.«
    ***
    Wochen waren vergangen, der Herbst war ins Land gezogen. Auf Gut Dreieichen wurde Hochzeit gefeiert, und alle waren gekommen. Es war eine Feier, über die noch lange in Neubabylon gesprochen wurde. Dann kam der Winter, und der machte auch vor diesem Juwel im Wald nicht Halt. Die Stadt war tief verschneit, und wer konnte, saß daheim am Kohlenbecken und wärmte sich die Füße. Monthelon wollte diese Zeit nutzen, seine neuen Ideen in die Herzen der Menschen zu pflanzen. Obwohl er sich den Weihen unterzogen hatte, die der Kult um Mithras forderte, schien er dieser Religion weniger zugeneigt als Nathaniel. Die hergebrachten Zeremonien fanden weiterhin statt, aber Monthelon sah in Religionen grundsätzlich etwas Abgelebtes, das überwunden werden müsse. Deshalb versuchte er vorsichtig, den Schwerpunkt der Bildung auf das selbstständige Denken eines jeden zu legen. Es lag ihm fern, die Regeln und Gesetze des Mithras gering zu schätzen, aber er wollte erreichen, dass die Knaben aus eigenem Nachdenken schöpften. Nicht, weil ein Gott sie erlassen hatte, sollten sie befolgt werden, sondern weil der eigene Verstand und das eigene Gewissen ihnen dazu rieten.
Was nicht aus eurem Innern heraus geboren wurde, ist lediglich eine Kopie von Kopien,
pflegte er zu sagen.
Ihr ahmt Leute nach, die es wiederum von ihren Vorfahren so übernommen haben.
Monthelon wollte, dass sich der menschliche Geist von der Bevormundung jeglicher Herrschaft befreite, die sich nicht aus einem unabhängigen Denken speiste. Man durfte von Mithras oder von einem jüdischen Rabbi lernen, aber sich ihnen nicht unterwerfen, weil sie angeblich unfehlbar waren.
    Vor allem lag es ihm am Herzen, dass Neubabylons Geist und das Wissen, das hier erworben wurde, in die Welt hinausgetragen wurde. Und mit der Welt meinte er keine Klosterzellen oder muffige Gelehrtenstuben, auch keine Söhne aus reichem Hause, die sich aus Kurzweil philosophischen Betrachtungen hingaben. Er meinte
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