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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition)
Autoren: Jutta Ahrens
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fiel ihm Sinan aufgebracht ins Wort. »Auf dem Kreuzzug hattest du sie tief in dir eingeschlossen, aber hier ist sie vertrocknet. Sieh dich doch an, wie du aussiehst. So brav, so sauber, so geleckt. Wirst sicher mal in den Stadtrat gewählt.«
    Sinan bemerkte nicht, dass Nicholas so fest die Fäuste ballte, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Das wäre ein redliches Amt und nicht zu verachten.«
    »Bist du eigentlich ein Papagei geworden? Solche Redensarten führen wohl die satten und ach so redlichen Bürger dieser Stadt?«
    Nicholas schwieg.
    »Weiß man hier eigentlich, dass du ein Muselmann geworden bist?«, fragte Sinan hinterhältig.
    Nicholas starrte ihn an. »Nein! Du wirst doch nicht …?«
    »Dich verraten?« Sinan lachte leise. »Nein, aber dich vergewaltigen. Hier auf der Stelle, damit dir deine vertrockneten Hirngespinste zu den Ohren herausfliegen.«
    »Das würdest du nicht tun – nicht hier, nicht wahr? Man würde uns auf dem Scheiterhaufen verbrennen.«
    Sinan lachte verächtlich, packte Nicholas und begann, an seinem guten Kaufmannsrock zu zerren. »Was redest du von Scheiterhaufen? Ich brenne längst. Wenn du willst, schreie, damit uns auch alle hören und gleich die Büttel rufen. Doch mir ist es gleich. Ohne dich ist mein Leben nur noch graue Asche.«
    Da sackte Nicholas plötzlich in sich zusammen und fiel nach vorn. Sinan hielt ihn, sonst wäre er zu Boden gesunken. Sanft zog Sinan ihn an sich. »Was hast du?« Und dann merkte er, dass Nicholas an seiner Brust weinte wie ein kleines Kind. »Ich kann nicht mehr«, wimmerte er.
    Sinan hielt ihn fest und drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. »Ganz ruhig, ich bin bei dir, du bist bei mir, alles ist gut.«
    »Ich hasse Köln!«, brach es jäh unter wilden Schluchzern aus Nicholas hervor. »Ich hasse die Menschen hier! Ich hasse dieses Haus und meinen Onkel, ich hasse meinen Beruf. Ich hasse mich selbst. Ich fühle mich so verloren, denn ich wollte niemals hassen.«
    »Ich weiß. Aber du wirst auch wieder lieben können.«
    »Ich habe dich in Rom nicht verlassen, weil du getötet hast«, flüsterte Nicholas heiser vom Weinen. »Ich verließ dich, weil ich nicht glauben konnte, dass du mich liebst. Dass mich irgendjemand auf der Welt lieben konnte. Ich fühlte mich so schmutzig und glaubte, du wolltest nur diesen Schmutz von mir, wie alle anderen.«
    Sinan drückte Nicholas ganz eng an seine Brust. »Ich habe dich vom ersten Tag an geliebt und habe nie Schmutz in dir gesehen. Alles, was du tust, erschien mir immer rein. Was wir miteinander getrieben haben, war gut und schön. Weil du gut und schön bist. Dich kann nichts beschmutzen, Nicholas. Und das ist der Grund, weshalb ich dich liebe. Ich trank von dir und fühlte mich erfrischt. Was dunkel war in mir, wurde hell.«
    »Das ist eine seltsame Liebeserklärung.«
    »Komm mit mir, Nicholas. Wir kleiden uns in das bunte Gewand der Spielleute und singen für die Menschen, tanzen für die Menschen. Und wenn wir müde sind, dann schlafen wir im Heu und lieben uns. Wenn dann der Winter kommt, führe ich dich nach Neubabylon. Dort wird deine kranke Seele heilen. Bernardo lebt auch dort. Du kennst den Mönch?«
    »Bernardo?« Nicholas hob den Kopf und wischte sich die Tränen ab. »Er wohnt in deiner Stadt?«
    »Ja. Er ist ein guter Freund, und er bat mich, dich etwas zu fragen, wenn ich dir begegnen sollte.«
    »Was wollte er wissen?«
    »Ob du ihm verziehen hast.«
    »Jesus!« Nicholas schloss die Augen. Nach etlichen tiefen Atemzügen öffnete er sie wieder. »Sag ihm, ich habe ihm schon lange verziehen.«
    »Worum ging es denn?«, fragte Sinan neugierig. »Bernardo sprach von einer unermesslichen Schuld.«
    »Sagte er das? Ach nein, er übertreibt. Zwischen uns gab es damals nur ein kleines Missverständnis.« Nicholas lächelte. »Nur ein Missverständnis, glaube mir.«
    ***
    Ein gutes Jahr später trafen Sinan und Nicholas in Neubabylon ein. Emanuel und Bernardo waren in ihrer Mission unterwegs, aber Monthelon freute sich sehr und begrüßte Nicholas herzlich. Er habe schon von ihm gehört und sei erleichtert, dass es ihm gut ginge. Er fragte Sinan, ob er jetzt bereit sei, die Weihe zum Parsen zu empfangen. Da schüttelte Sinan den Kopf und legte den Arm um Nicholas. »Er hat mich geweiht. Ich fühle, dass ich die sechste Stufe erreicht habe. Aber wir benötigen keine Zeremonie mehr dafür.«
    Monthelon wandte sich an Nicholas. »Dann hast du Großes vollbracht. Mit deiner Hilfe wird
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