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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition)
Autoren: Jutta Ahrens
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meinen Freunden Zuflucht.«
    »Na gut.« Agnes sah sich herausfordernd um. »Und wie soll es jetzt weitergehen? Ich will nicht hoffen, dass du, ein Saint-Amand, dich von diesen Mönchen hier einschüchtern lässt. Wir werden jetzt beide diesen Raum verlassen und in diese Stadt marschieren, das werden wir doch?«
    Octavien warf dem Schreiber einen verzweifelten Blick zu. Der schaute ebenfalls ratlos drein. Mit Frauen hatte er es schon lange nicht zu tun gehabt und mit solchen, die ihren Mann kommandierten, schon gar nicht.
    Dass jetzt Monthelon die Szene betrat, war kein Zufall. Bernardo hatte ihm gegen den Widerstand von Emanuel und Sinan Bescheid gesagt. Er lächelte Agnes an. »Herzlich willkommen in St. Marien. Ich bin Yves de Monthelon, das gewählte Oberhaupt der Bewegung. Was für eine mutige und unerschrockene Frau Ihr seid, Agnes von Eibenau.«
    Sie starrte den schlanken Mann mit den langen weißen Haaren und dem noch recht jungen Gesicht überrascht an. Er wusste, wer sie war?
    Monthelon schien ihre Gedanken zu erraten. »Ich weiß es von Octavien.«
    Agnes fasste sofort Vertrauen zu diesem Mann. Er besaß eine natürliche Autorität, die sich in seiner ruhigen Freundlichkeit ausdrückte. Ihre aufmüpfigen Reden verstummten. »Ist es wahr, dass ich nicht in Eure Stadt darf?«
    »So sind bei uns die Regeln.« Monthelon hob die rechte Hand. »Aber Regeln kann man ändern, wenn sie sich als überholt oder unbrauchbar erweisen. Ich glaube, dass es an der Zeit ist, Neubabylon auch für Frauen zu öffnen. Euren Besuch will ich zum Anlass nehmen, diese neue Regel einzuführen, denn ich bin der Meister, und ich kann das entscheiden.«
    Agnes knickste wohlerzogen. »Ihr seid nicht nur gütig, sondern auch weise, wenn ich das bemerken darf. Es wäre sonst auch recht unsinnig, Neubabylon eine Stadt zu nennen. Es wäre lediglich ein größeres Kloster, nicht wahr?«
    »So ist es. Unter meiner Ägide wird es jedoch aufhören, wie ein Kloster zu sein. Ein freier Geist weht, wo er will, er wohnt auch bei Frauen und Kindern, in Gebildeten und Ungebildeten, man muss ihn nur wecken. Ja, wir brauchen dringend frischen Wind in unseren Mauern.« Er nickte Octavien zu. »Folgt mir.«
    ***
    Agnes war sofort begeistert von Neubabylon. Wie ein Kloster sah es hier nun wirklich nicht aus. Um so empörender, dass dieser wunderbare Ort Frauen bisher nicht zugänglich war. Wem war er überhaupt zugänglich? Bestimmt nicht jedermann. Aber sie blieb still, denn all die Wunder, die sie schaute, verschlugen ihr die Sprache. Natürlich wurde sie angestarrt. Aber da sie in Begleitung des Meisters waren, blieb es beim Schauen. Manch einer schüttelte wohl den Kopf, aber niemand wagte etwas zu sagen. Die Stadt mit ihren Säulen, Tempelchen und Statuen erinnerte sie ein wenig an Rom, aber hier gab es keine Ruinen, alles war sauber und gepflegt, die Straßen ausnahmslos mit marmornen Platten gepflastert. Hier gab es keine Bettler, aber auch keine Frauen und Kinder. Niemand schien krank zu sein, niemand trug schäbige Kleidung. Auf den Straßen liefen weder Schweine noch Gänse herum, nicht einmal Ratten schien es hier zu geben.
    Octavien beobachtete sie bei ihrem Staunen. »Gefällt dir Neubabylon?«
    »Es ist ein Traum, aber irgendwie doch – gekünstelt. Und diese Lage. Mitten in einem unzugänglichen Waldgebiet.«
    »Das stimmt. Wir müssen uns vor Verfolgung schützen. Aber bald wird es überall ähnliche Städte wie Neubabylon geben, das ist eins unserer Ziele. Und diese werden dann allen Menschen offen stehen.«
    »Allen Menschen? Auch euren Mägden auf Dreieichen, die man nicht einmal grüßen darf? Das glaube ich nicht.«
    Octavien räusperte sich. »Irgendwann schon. Aber gut Ding will Weile haben.«
    »Aha. Da lugt der Teufel aus dem Dachgestühl. Werden wir in einem dieser Häuser wohnen?«
    »Ja, bei Emanuel. Oder möchtest du, dass wir zu Sinan ziehen? Sein Haus ist größer, und er lebt allein.«
    »Das ist ja wie die Wahl zwischen Pest und Cholera«, murrte sie, aber sie lächelte dabei. Octavien drohte ihr mit dem Finger. »Deine Abneigung gegen Sinan klingt mir zu aufgesetzt. In Wahrheit gefällt er dir, der hübsche Spielmann.«
    »Und wenn?«, fragte sie keck. »Wärst du dann eifersüchtig?«
    »Keine Spur«, grinste Octavien. »Sinan ist nämlich bereits vergeben.«
    »Na und? Deshalb kann er mir doch gefallen, ich will ihn schließlich nicht heiraten.«
    »Ich weiß nicht. Sinan ist an alle schönen Burschen dieser Welt
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