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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
Autoren: Christian V Ditfurth
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die Ermittlung beendet. Auch wenn es brutal klingt, wir haben genug Arbeit. Und wenn Ossi abtreten wollte, dann bin ich der Erste, der das betrauert, er war ein guter Kollege. Aber für jemanden, der sich umbringt, können wir nichts mehr tun. Wenn du es genau wissen willst, bin ich nicht nur traurig, sondern auch zornig. Man tritt nicht so einfach ab. Das ist nicht fair. Schon weil man den Hinterbliebenen die Frage aufzwingt, ob sie etwas hätten tun können. Er hätte wenigstens einen Abschiedsbrief schreiben können. Verdammt.« Für Tauts Verhältnisse war es eine lange Rede. Sie zeigte, wie sehr ihn Ossis Tod aufwühlte.
    Bedächtig äußerte sich jetzt ein anderer Beamter, den Stachelmann ebenfalls kannte: »Da gibt es vielleicht doch eine Spur. Ich habe mir die Konten von Ossi angeschaut. Er hatte auf dem einen ein Guthaben von knapp neunzigtausend Euro, auf dem anderen fünfundzwanzigtausend Euro Miese.«
    »Hm«, sagte Taut.
    »Roland, woher hat ein Polizist so viel Geld?«, fragte Kurz. »Wenn ich mir mein Konto anschaue ...«
    Roland Kamm hob die Augenbrauen. »Ich habe noch keine Zeit gehabt, mich damit zu beschäftigen. Ich weiß nur, in den letzten drei Monaten hat Ossi jeweils zehntausend Euro abgehoben, immer am Ende eines Monats. Es gibt weitere, aber eher normale Abhebungen.«
    »Warum hat er die Überziehungszinsen bezahlt, statt das Minus auszugleichen?«, fragte Kurz.
    »Keine Ahnung«, sagte Kamm. »Weißt du was?« Er warf einen Blick zu Carmen.
    Die schüttelte den Kopf.
    »Jeden Monat zehntausend Euro in bar, wofür?«, fragte Kurz.
    »Vielleicht Zahlungen an seine Ex«, sagte Carmen. »Er hat ja zwei Kinder. Und womöglich hat er bei den Alimenten gezickt, bis ihn die Reue packte.«
    »Überprüf das«, sagte Taut.
    Carmen wollte etwas erwidern, aber dann schwieg sie doch.
    Vielleicht will sie Ossis ehemaliger Frau nicht begegnen, dachte Stachelmann. Er versuchte sich die Szene vorzustellen. Aber dann dachte er an das Geld, das auf Ossis Konto lag, und die mysteriösen Zahlungen. Ob er gespielt hat? Ob er in Bordelle ging? Ob er erpresst wurde? Oder zahlte er tatsächlich an seine ehemalige Familie? Warum dann nicht per Überweisung? Aus Steuergründen oder wegen Hartz IV? Da müsste man sich erkundigen. Vielleicht durfte seine Exfrau nicht so viel Geld auf ihrem Konto haben? Und womöglich würde sie Carmen belügen? Wenn sie Sozialhilfe beziehungsweise dieses Arbeitslosengeld 2 bezog, durfte sie nebenher nicht viel einnehmen. Stachelmann zuckte der Gedanke durch den Kopf, er müsse sich bald auch mit diesen Dingen herumschlagen. Wenn er so weitermachte. Und Ossi hatte in ihm einen gesehen, der es geschafft hatte. Nichts hatte er geschafft, gar nichts.
    Ossis Akte lag auf seinem Schoß, ungeduldig folgte er der Diskussion. Dann stand er auf und sagte, zu Carmen gewandt: »Du hältst mich auf dem Laufenden?«
    »Ja, tschüs. Ich ruf dich an.«
    Stachelmann reichte Taut die Hand, winkte den anderen kurz zu und verließ das Präsidium, Ossis Ordner unter dem Arm. Auf der Straße überraschte ihn ein milder Sommerwind. Der kam von der Nordsee und wehte die Elbe hinunter durch die Stadt, weiter nach Lübeck an die Ostseeküste Schleswig-Holsteins. Stachelmann kam es vor, als hätte er bis dahin das Wetter an diesem Tag nicht gespürt.
    In drei Wochen waren Semesterferien, da wollte er mit Anne und Felix in den Urlaub fahren, nach Schweden in ein einsames Haus an einem einsamen See. So hatten sie es vor Monaten schon verabredet. Als er daran dachte, spürte er die Beklemmung, die in ihm wuchs. Da lag etwas zwischen ihnen, und das würde nicht verschwinden in einem Urlaub mit einem Kind, das öfter schrie als andere Kinder, wie Stachelmann glaubte, und das Annes Aufmerksamkeit und Kraft so sehr beanspruchte, dass für ihn nicht viel übrig blieb.
    Während er zur U-Bahn-Station Alsterdorf ging, überlegte er, wann ihm die Freude auf den ersten gemeinsamen Urlaub verloren gegangen war. Als Anne andeutete, sie wolle ein Kind von ihm haben? Er hatte es jedenfalls so verstanden und nicht nachgefragt, weil er fürchtete, die Idee könnte sich festsetzen. Was hatte sie gesagt? Ich habe irgendwo gelesen, es sei nicht gut, wenn ein Kind ohne Geschwister aufwächst. Man dürfe natürlich nicht alles ernst nehmen, was geschrieben werde, aber das habe sie sich hin und wieder auch schon überlegt. Und es seien ihr all die Einzelkinder eingefallen, die sie kenne. Die neigten zu Narzissmus, und einige von denen
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