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Schatten Der Versuchung

Titel: Schatten Der Versuchung
Autoren: Christine Feehan
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ihr Haar auf dem Foto tiefschwarz schien. Blau wie die fast vergessenen Bergseen seiner Heimat. Blau wie die verschiedenen Schattierungen des Himmels. Er hatte gedacht, nein, gehofft, dass sein instinktives Wissen um dieses kleine Detail bedeuten könnte, dass er seiner wahren Gefährtin auf der Spur war. Der anderen Hälfte seiner Seele, dem Licht für seine Dunkelheit, der einen Frau, die ihm die verlorenen Farben und vor allem die Fähigkeit, Gefühle zu haben, zurückgeben konnte. Aber im Lauf der Zeit war auch diese Hoffnung verblasst, und die Welt war wieder trostlos und düster geworden.
    Wieder grollten Donnerschläge, und die Luft knisterte vor Elektrizität. Wolkenmassen ballten sich am Himmel und stiegen in dichten Säulen nach oben. Vikirnoff strich in einer unbewussten Liebkosung mit seinem Daumen über das Bild der Frau, wie er es schon so oft getan hatte. Natürlich träumte er von der perfekten karpatianischen Gefährtin. Von einer Frau mit diesem Gesicht und diesen Augen, einer Frau, die ihn glücklich machen würde, genauso wie er sie. Das Leben würde heiter und friedlich sein, voller Freude und vor allem voller Gefühle. Er steckte das Foto wieder in sein Hemd, über sein Herz, wo es gut geschützt war. Vikirnoff konnte nicht einmal bekümmert seufzen. Er konnte kein Bedauern empfinden, keine Verzweiflung, nur diese endlose Leere.
    Du musst damit aufhören!  Die Worte drangen auf einem unerwartet starken telepathischen Weg in sein Bewusstsein und wirbelten durch seinen Kopf. Deine Gefühle sind so unglaublich stark, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie es möglich ist, dass du sie nicht erkennst. Du zerreißt mir das Herz. Das kann ich mir gerade jetzt nicht leisten. Sieh zu, dass du deine Emotionen in den Griff kriegst, oder verschwinde schleunigst aus meiner Nähe!
    Die Frauenstimme erfüllte sein ganzes Inneres, drang in Herz und Lungen ein und rauschte mit der tosenden Gewalt eines Orkans durch seine Blutbahnen. Fast zweitausend Jahre lang hatte er ein graues Schattendasein geführt und keine Gefühle mehr gehabt. Ohne Verlangen oder Zorn oder Zuneigung hatte er in einer unendlichen Wüste existiert. In diesem einen Augenblick änderte sich alles, und in seinem Inneren herrschte sofort Chaos.
    Farben blendeten ihn, Farben, so grell und eindringlich, dass seine Augen und sein Gehirn den Anblick kaum verkraften konnten. Sein Magen brannte und schnürte sich zusammen, als sich der Boden unter seinen Füßen aufbäumte und er darum kämpfen musste, nicht in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Dämme brachen in seinem Inneren, und wo vorher nichts gewesen war, war jetzt alles, ein wildes Durcheinander an allen erdenklichen Empfindungen, genährt von seiner ungeheuren Stärke und Macht.
    Die Bäume in nächster Nähe splitterten und schlugen mit einem ohrenbetäubenden Krachen, das die Erde beben ließ, auf den Boden. Ein zerklüfteter Spalt öffnete sich dicht bei ihm im Boden, gefolgt von einem zweiten und dritten. Die Felsen wogten und schwankten und eine weitere Reihe von Bäumen zerbarst und sank zu Boden.
    Der Dämon in seinem Inneren erhob sein Haupt und brüllte auf, hieb mit langen Krallen nach ihm und kämpfte um die Freiheit, jede Ehre zu vergessen und sich das eine zu nehmen, das ihm allein gehörte. Seine Rettung. Vielleicht war sie aber auch sein Untergang. Seine Eckzähne wurden länger, und sein Blut wurde so heiß, dass er fürchtete, in Flammen aufzugehen.
    O mein Gott! Du bist einer von ihnen! Ihre Stimme bebte vor Entsetzen.
    Ebenso wie er ihr seine Einsamkeit, sein Leid und sein Unglück mitgeteilt hatte, gab er seine Dunkelheit und die furchtbare Intensität seiner überwältigenden Emotionen an sie weiter. Sie spürte sein scharfes Verlangen nach Gewalt, nach dem Bausch, den der Akt des Tötens hervorrief, den animalischen sexuellen Hunger, der ihn beherrschte und der sich mit dem Drang vermischte, sie für sich zu beanspruchen. Sie erlebte all das mit ihm zusammen, nicht nur den berauschenden Höhenflug, sondern das ganze Ausmaß des wilden Verlangens, das durch seinen Körper strömte. Die Zweifel an seiner Existenz, das immer stärker werdende Bedürfnis, zu jagen und zu töten. Den Wahnsinn des Tieres in ihm, das sich aufbäumte und um seine Freiheit kämpfte, darum, allein zu dem Zweck losgelassen zu werden, zu ihr zu kommen.
    Furcht, die an Entsetzen grenzte, schlug ihm wie eine Sturmflut entgegen und verwandelte sich gleich darauf in Entschlossenheit. Die Empfindungen
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