Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten Blut

Schatten Blut

Titel: Schatten Blut
Autoren: Rebecca Abrantes
Vom Netzwerk:
Appartement unter Julie, kam mir mit ihrem altersschwachen Dackel auf dem Weg entgegen und grüßte freundlich. Wie immer erinnerte sie mich in ihren bunten, wehenden Kleidern an eine leicht schrullige Zigeunerin. Freundlich winkend lief ich an ihr vorbei und nahm von ihrem überraschten Blick kaum Notiz. Vermutlich war sie lediglich überrascht, dass ich wieder in London war.
    In dem kleinen Laden an der Ecke kaufte ich mir einen Doughnut und stand schon wieder vor der Appartementtür. Der Schlüssel steckte bereits im Schloss, als ich die große, weiße Feder halb unter der Tür erblickte. Verblüfft hob ich sie auf und nahm sie mit hinein. Der Schlüssel landete am Board, die Feder auf dem Küchentisch. Und meine verschwitzten Sachen auf dem Fußboden in meinem Zimmer.
    Schon eilte ich ins Bad, drehte erst das Wasser auf und dann das kleine Radio auf dem Regal neben dem Waschbecken an und mit Tom Jones’ Kiss stieg ich unter die Dusche. Der stechende Schmerz traf mich völlig unerwartet. Erschreckt fasste ich mir an den Hals und fühlte etwas, was nicht da sein durfte!
    Blitzschnell war ich aus der Dusche, schob mein nasses Haar beiseite und starrte schockiert in den Spiegel. Circa 8 cm lang, dünn und leicht gerötet. So real präsentierte sich das irreale, gespenstische Mal aus meinem Traum. Fassungslos fuhr ich abermals mit den Fingern darüber. Und wie schon zuvor waren die Schmerzen extrem real. Noch einmal meinte ich im Geiste das lange, scharfe Messer an meinem Hals zu spüren, den kurzen Schnitt, als ich mich zu wehren versucht hatte, kurz bevor ich aufgewacht war. Und ich war doch wach, oder nicht?
    Fast wie umnebelt ging ich tropfnass über den Flur zu Julies Schlafzimmer hinüber und stieß die Tür auf. Darin war alles in bester Ordnung, keine Zerstörung, keinerlei Unordnung. Benommen tappte ich zurück ins Bad. In mir keimte die leise Hoffnung auf, dass beim erneuten Blick in den Spiegel nun auch der Schnitt weg war. Aber er blieb!
    Irgendwie machte mich das Ganze ziemlich nervös. Solange ich Geschehnisse logisch analysieren und erklären, sie rational erfassen konnte, war ich die Ruhe selbst. Wie es Kopfmenschen meistens sind. Aber das hier lag weit außerhalb des Begreifbaren.
    Noch einmal betrachtete ich den Schnitt genauestens im Spiegel. Er war nicht besonders tief, hatte nur die oberen Hautschichten durchtrennt. Ich hatte öfter diverse Blessuren abbekommen, denn mein Job war bisweilen nicht ganz ungefährlich und daher war es eigentlich nichts Beunruhigendes. Was mich jedoch beunruhigte waren die Umstände.
    Als ich vor drei Jahren bei einer Reportage im Irak in diese Schießerei geraten war, hatte ich zumindest gewusst, was da um mich herumflog und wo es herkam. Die helle Narbe am linken Oberschenkel, wo mich ein Streifschuss erwischt hatte, war rational erklärbar. Vermutlich wäre es nicht nur bei dieser Narbe geblieben, hätten mich die zwei Jungs der US Army nicht aus der Schusslinie geholt.
    Dieses Mal war es aber etwas völlig anderes. So unnatürlich, fast surreal. Brauchte ich vielleicht einen Psychiater? Innerlich stöhnte ich auf. Bloß nicht! Freud lässt grüßen! Und auf eine Analyse in Richtung unaufgearbeiteter Kindheits-Traumata, welche sich im Unterbewusstsein in Aggressionen umsetzen und gegen sich selbst richten, konnte ich dankend verzichten. Mein einziges Trauma aus der damaligen Geschichte resultierte aus der Beschädigung meiner zweieinhalbtausend Dollar teuren Kamera, die ich mir nach meinem Fotojournalismusstudium vom Munde abgespart hatte. Nein, Herr Freud, es war eine rein materialistische Ausrichtung. Da ich keine vernünftige Erklärung finden konnte, redete ich mir ein, dass ich mich einfach irgendwo geschnitten, es aber nicht gleich bemerkt hatte. Auch wenn ich wusste, dass die Erklärung für die Existenz des Schnittes recht wackelig war. Zumindest hatte ich auf diese Weise meine Emotionen soweit unter Kontrolle, dass ich endlich in Ruhe duschen konnte.

– Kapitel Drei –
    M ails waren gecheckt, diverse Telefonate, unter anderem ein recht kurzes mit meiner Mutter, waren erledigt, Schriftverkehr geregelt, Unterlagen sortiert und die finanziellen Angelegenheiten waren ebenfalls in trockenen Tüchern. Wie immer, wenn ich in London wohnte, bekam meine Schwester für den Monat die Hälfte der Miete inklusive Wasser- und Stromzuschlag auf ihr Konto überwiesen. Wir hatten vor Jahren schon diese Vereinbarung getroffen und sie kam uns beiden zugute. Ein Hotel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher