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Schatten Blut

Schatten Blut

Titel: Schatten Blut
Autoren: Rebecca Abrantes
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lachte leise. »Warum sollte ich nicht leben? Was redest du bloß für einen Blödsinn zusammen! Komm, ich habe Kaffee gemacht, den scheinst du gebrauchen zu können.« Damit verschwand sie. Ich hörte sie kurz darauf in der Küche einen Schrank öffnen.
    Nun verstand ich gar nichts mehr und brauchte gut vier, fünf Sekunden, um überhaupt zu registrieren, wo ich war. Ich hockte in meinem Zimmer auf dem Boden, hielt den Kopf und guckte wahrscheinlich völlig idiotisch aus der Wäsche beziehungsweise meinem rosa Snoopy Schlaf-T-Shirt.
    Aber wieso …? Und was …?
    Das wollte ich jetzt wissen, stand auf und marschierte in Julies Schlafzimmer. Und stutzte. Alles pikobello ordentlich, die Kleidung aufgehängt, die Strümpfe über einer Schranktür. Der Spiegel war blitzblank und intakt, keine Spur von auch nur irgendeiner Verwüstung, nicht mal der Ansatz davon.
    »Suchst du etwas, Faye.« fragte Julie den Gang hinunter. Ich drehte mich zu ihr um, Fassungslosigkeit im Blick, setzte zum Sprechen an, schloss den Mund wieder. Und öffnete ihn erneut zu einer Frage: »Wann bist du heute Nacht nach Hause gekommen.«
    »Um zwei. Warum?« Nebenbei hantierte sie mit einer Tasse und der Kaffeekanne. »Du nimmst deinen Kaffee doch immer noch schwarz.«
    Ich nickte verstört, meinte dann vernehmlich »Ja« und starrte nochmals auf das tadellos aufgeräumte Schlafzimmer. Zwei Uhr! Wieso hatte ich dann um fünf Uhr …?
    Ein Traum, Faye! Es war nur ein Traum! rief ich mich selbst zur Ordnung. Einmal tief durchgeatmet straffte ich die Schultern und ging in die Küche. Ein Kaffee war nach einer solchen Nummer einfach das Optimum!
    »Du siehst leicht fertig aus, Faye«, kommentierte meine Schwester mein Gesamterscheinungsbild und stellte fürsorglich die Tasse vor mir auf den Tisch. »Immer noch Jetlag?«
    »Bescheiden geschlafen«, murmelte ich in meine Tasse und blickte prüfend zur Uhr über der Tür. 8.32 Uhr und der Sekundenzeiger tickte weiter. Irgendwie kam ich mir gerade etwas deplatziert vor, hatte allerdings keine Ahnung, warum das so war.
    »Hm«, machte Julie nur, stellte ihre Tasse in die Spüle und ging in den Flur, um ihre Schuhe anzuziehen. »Ich muss los, sonst komme ich zu spät. Hast du heute etwas vor.«
    »Wie bitte?« Ihre Frage riss mich aus den Gedanken und ich blickte sie kurz irritiert an, fing mich aber sofort wieder. »Eh’, nein. Ich wollte ’ne Stunde joggen. Und dann vielleicht meine Unterlagen sortieren. So was in der Art.«
    »Okay, dann lass dir die Zeit nicht zu lang werden.« Sie lächelte mich an, nahm den passenden Blazer zu ihrem taubenblauen Rock von der Garderobe und wandte sich zum Gehen. »Oh, und warte nicht auf mich. Könnte sein, dass ich später komme.« Ein kurzes Zwinkern und weg war sie.
    N ormalerweise lief ich lieber abends, aber heute schien es mir sinnvoller, am frühen Vormittag eine Runde zu drehen. Den Kopf freizubekommen, frische Luft atmen, der Enge der eigenen Gedanken zu entfliehen. Also zog ich die Jalousie meines Zimmers hoch, kickte Bettzeug und Kleidungsstücke einfach auf das Bett und warf meinen hellgrauen Jogginganzug über. Während ich die Laufschuhe zuband, konnte ich über meine schräge, nächtliche Fantasie schon fast wieder lachen.
    Meine ungekämmte Lockenpracht wurde zu einem lockeren Knoten im Nacken mit einem Haarband gebändigt. Dann schnappte ich mir den Hausschlüssel, steckte ihn in die Tasche und machte mich auf den Weg.
    Julies Appartement lag in Chelsea, mit Blick auf die Themse. So brauchte ich nur einen Block weiter und über die Albert Bridge Road zu laufen und war schon im Battersea Park. Die Luft war angenehm kühl, der Himmel leicht bewölkt, doch lugte die Sonne schon zwischen den Wolken hervor und ließ erahnen, dass es wieder ein warmer Junitag werden würde.
    Um diese Zeit war es im Park recht ruhig. Hier und da ging jemand mit seinem Hund Gassi, dort lief ebenfalls ein Jogger, vermutlich vor oder nach der Arbeit, oder er hatte keine. Ein paar Jugendliche schwänzten die Schule und saßen rauchend auf einer Bank. Von den Straßen her vernahm man gedämpft die Geräusche des Verkehrs und kurzzeitig drang der Klang einer Polizeiwagensirene bis hierher. Alles in allem war es recht ruhig und ich genoss meinen Lauf.
    Allmählich rann der Schweiß am Rücken herunter und ich sehnte mich nach einer Dusche. So machte ich mich auf den Heimweg und legte auf dem letzten Kilometer einen Sprint hin. Mrs. Ernestine Morningdale, die ältere Dame aus dem
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